Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben

Zeitzeugen und Dokumente geben Auskunft.

Im Kanon der aufgearbeiteten DDR-geschichtlichen Ereignisse steht der Mauerbau vor nunmehr sechzig Jahren ganz vorn. Er habe, so heißt es, die deutsche Teilung besiegelt. Darüber kann man geteilter Auffassung sein. Wie eben auch über die Frage, ob Washington und Moskau damals bereit waren, wegen Westberlin einen Krieg zu führen. Für die einst führenden DDR-Militärs ist die Frage von der Geschichte beantwortet worden: Ohne die Maßnahmen des östlichen Bündnisses am 13. August 1961 wäre es zum Konflikt bekommen.

Sie beweisen dies mit Fakten und Dokumenten. Inzwischen sind sich alle, die sich ernsthaft mit dem 13. August 1961 und seinen Ursachen befassen, darin einig, dass die Maßnahmen eine latente Krise in Zentraleuropa beendeten, welche in einen Krieg zwischen West und Ost hätte münden können. Und ebenso darüber, dass die DDR-Regierung im Auftrag des Warschauer Vertrages und seiner Führungsmacht, der Sowjetunion, handelte. Aus Anlass des Jahrestages dieser Operation äußerten sich 2011 im Gespräch: Heinz Keßler und Fritz Streletz, die letzten noch lebenden prominenten Beteiligten, die Zeugnis darüber ablegen konnten.

Autor
Heinz Keßler
(1920-2017) wuchs in einer kommunistischen Familie auf und lernte in Chemnitz Maschinenschlosser. Ende November 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen, zum MG-Schützen ausgebildet und im Juni 1941, wenige Tage vor dem Überfall auf die Sowjetunion, an deren Grenze verlegt. Drei Wochen später, während des scheinbar unaufhaltsamen Vormarsches, trat er zur Roten Armee über. In Abwesenheit wurde er vom faschistischen Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Dessen ungeachtet blieb er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. 1943 gründete er mit anderen Soldaten und Offizieren das Nationalkomitee „Freies Deutschland“, später war er als Frontbeauftragter des NKFD an verschiedenen Frontabschnitten tätig. Als Angehöriger der Roten Armee kam er im Mai 1945 nach Berlin. Er gehörte im Frühjahr 1946 zu den Gründungsmitgliedern der Freien Deutschen Jugend (FDJ). 1950 trat er den sich formierenden bewaffneten Organen bei, war zunächst Leiter der Volkspolizei-Luft, dann Stellvertreter des Innenministers. Mitte der fünfziger Jahre absolvierte er die Generalstabsakademie der UdSSR in Moskau. Danach wurde er zum Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung berufen und Chef der Luftstreitkräfte der NVA. 1985 trat er die Nachfolge des verstorbenen Verteidigungsministers Heinz Hoffmann an. 1986 kam Heinz Keßler auch in das Politbüro des ZK der SED. Mitte November 1989 trat er von all seinen Funktionen zurück, im Januar 1990 schloss man ihn auch aus der SED-PDS aus. Danach kam er wegen des Vorwurfs der „Verschwendung von Volksvermögen“ einige Monate in U-Haft. Im sogenannten ersten Politbüroprozess wurde er 1993 zu siebeneinhalb Jahren Haft wegen „Anstiftung zum Totschlag“ verurteilt. Von der Strafe saß er mehr als die Hälfte ab und wurde dann aus gesundheitlichen Gründen „auf Bewährung“ entlassen. Armeegeneral a. D. Heinz Keßler überlebte seine Frau Ruth um etwa vier Jahre.

Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben
Autor: Heinz Keßler
240 Seiten, mit Abb., Broschur
edition ost
Euro 15,00 (D)
ISBN 978-3-360-01897-7