Phil Shoenfelt „Cassandra Lied“

Der britische Sänger/Gitarrist/Songwriter/Produzent Phil Shoenfelt, der heute in Prag lebt, gründete 1981 in New York die Post-Punk-Band Khmer Rouge, die regelmäßig im legendären CBGB’s auftrat, sowie als Tour-Support spielte – in den USA für Künstler und Bands wie The Clash, Alan Vega, Nico, Billy Idol und The Gun Club, und in England Mitte der 1980er für The Fall. Phils Solo-Debut wurde von Tony Cohen produziert und von Mark E. Smith auf Cog Sinister veröffentlicht, Supports für Nick Cave & The Bad Seeds und Crime & The City Solution folgten Anfang der 1990er Jahre. 1996 gründete er Phil Shoenfelt & Southern Cross (Prag), sowie die Band Fatal Shore und später Dim Locator (beide mit Homebase Berlin). Bis heute hat er mehr als 30 CDs/LPs/EPs/Singles veröffentlicht, ist ebenfalls auf vielen Compilations von Indie-Labels (UK/DE/USA/CZ/E/GR) zu finden und ist Autor der Noir-Romane Junkie Love und Stripped.

Phils neues Soloalbum Cassandra Lied wurde zwischen August 2018 und November 2019 in Prag aufgenommen. An diesem Projekt beteiligten sich mehrere namhafte Musiker, darunter Co-Produzent und Bandkollege Chris Hughes (Drummer bei These Immortal Souls, Mick Harvey, Hugo Race, Alexander Hacke) und Lapsteel-Gitarrist Kristof Hahn von Swans. Cassandra Lied ist eine einschneidende Abkehr von Phils früheren Werken und hat eine lyrische Tiefe, die mit der von Rockpoeten wie Leonard Cohen, Lou Reed, Patti Smith und Nick Cave vergleichbar ist. Dabei steht die Musik selbst dem vielschichtigen und atmosphärischen Ansatz von Künstlern wie Brian Eno, David Bowie und Tony Visconti näher als dem der traditionellen Rockmusik. Weitere Einflüsse auf diesem Album sind Post-Punk-Bands wie Joy Division aber auch Krautrock-Bands wie Neu und La Düsseldorf.

Worin sich das Album von aktuellen Rock-Veröffentlichungen unterscheidet ist die große Bandbreite; so finden sich Einflüsse von 1950er Rockabilly, Folk Rock, Punk und Psychedelia, Post-Punk, Indie und Progressive-Electronic wieder. Bemerkenswert hierbei ist, daß die Einbeziehung so vieler unterschiedlicher Bezugspunkte sich nicht befangen oder kalkuliert anfühlt. Zusammengehalten durch die reine Stärke der Musik bleibt der Dreh- und Angelpunkt immer bestehen (Schlüsselfaktoren wie Integrität und Instinkt spielen hier eine große Rolle). Das Album läßt sich keinem bestimmten Stil oder einer Musikrichtung unterordnen und wechselt ständig den Gang auf einem überwältigenden musikalischen Trip.

Auch thematisch läßt sich das Album nicht eindeutig zuordnen. Mit mehrdeutigen Texten, weit entfernt vom Standard-Pop, wird hier nichts endgültig festgelegt oder öffentlich beurteilt; auch ein Song wie „Just A Man“ kann in vielerlei Hinsichten – von „Also sprach Zarathustra“ und dem Tibetanischen Totenbuch bis hin zu #MeToo und Black Mirror – interpretiert werden. Selbst der Titel „Cassandra Lied“ steckt voller Doppeldeutigkeit und läßt Raum für eine Vielzahl von Interpretationen. Ergänzt wird das Album durch das High-End-Design von Friedel Muders (Fuego).

Cassandra Lied – die Tour de Force eines Künstlers, der seit über fünfzig Jahren Musik macht.

Tracks
1 Ghost Song
2 I Hate Myself
3 Shadowland
4 Just A Man
5 Resurrection Day
6 Fly Away
7 Complicated
8 Cathy Says
9 Psycho
10 Ionian Dream
11 Kingdom Come
12 The Brighter Side Of Darkness
13 When Did The Feeling Die?
14 Queen Of Emptiness
15 The Man Who Sold The World (Bonus Track)

Phil Shoenfelt „Cassandra Lied“
Sireena