Ane Brun „After the Great Storm“

Obwohl ANE BRUN in den letzten Jahren durch die Veröffentlichung einer Vielzahl von Songs und Alben auf auf sich aufmerksam machte, werden diejenigen, die sie genauer verfolgen, etwas Ungewöhnliches an der stets produktiven und innovativen Arbeit der Künstlerin bemerkt haben: Sie hat seit dem umjubelten Album „When I’m Free“ von 2015, das sie sowohl in ihrer Heimat Norwegen als auch in ihrer Wahlheimat Schweden an die Spitze der Charts brachte, keine Sammlung neuer Originalmusik mehr veröffentlicht.

Glücklicherweise wird sich das bald ändern, worauf sie seit März mit der Ankunft eines neuen Songs pro Monat hinweist. Wenn auch das Fehlen von neuem Material durch die Aktivität kaschiert wurde, so ist das Ausmaß ihres Comebacks beeindruckend: Am 30. Oktober veröffentlicht Ane Brun „After The Great Storm“, nur um am 27. November mit „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“ ein weiteres Album nachzulegen. Es sind die Alben acht und neun. Mit anderen Worten: Das lange Warten hat sich doppelt gelohnt. Es gibt einen traurigen, aber wichtigen Grund für die lange Pause, die den beiden Plattenproduktionen vorausging.

“Making an album always involved digging deep into myself,” so Ane Brun. “I deal with everything that happens in my life – relationships, changes, challenges – through writing music. But when my father passed away in 2016 I neither could, nor wanted to. It was a strange experience: I’m a very process-and-digest kind of person. I work on my issues, and I move forward. But, in the grief of losing a parent, it didn’t work. I couldn’t find the right tools in my toolbox, and there was no solution. My father was gone. It took me some time to understand that time itself was the key.” Erst im Sommer 2019 konnte die Künstlerin ihre Fantasie voll entfalten, als sie sich in eine Hütte tief in den norwegischen Bergen zurückzog. Dort erlebte sie einen dreiwöchigen Ausbruch von Kreativität, aus dem fast alle Lieder der beiden Alben hervorgingen. “I had a list of topics, ideas and sketches written down and worked my way through them, one by one. And on the day when that last idea on the list became a finished song, I closed the door and knew I had nothing more I needed to say. It was an almost physical feeling. I felt simultaneously empty and fulfilled…”

Danach blieb ihre Energie ungebremst und Anfang 2020 waren die Aufnahmen fast abgeschlossen; zumeist in den Stockholmer Atlantis Studios sowie den Studio Bruket. Letzteres ist das Zuhause der Band Tonbruket sowie Residenz der Ko-Produzenten Anton Sundell und Martin Hederos – der auch eine Reihe von Songs mitgeschrieben hatte. Die Ergebnisse beweisen eine bemerkenswerte Bandbreite von ruhigen Klavierballaden über zart-luftige Pop-Hymnen bis hin zu einigen ihrer kühnsten, extravagantesten Songs überhaupt. Ane Brun beschreibt die Herangehensweise wie folgt: “On “When I’m Free”, we ended up lingering in post-production doing a lot of cut and paste, adding layers and instrumentation. It was really hard work, and it was worth it. But I wanted to try something else this time, more like “It All Starts With One” (2011), by trying to make the magic happen there and then, live in the studio. We wanted real instruments to somehow play the role of machines, and to create beats that felt programmed but were still played by musicians.”

Achtzehn Lieder waren ursprünglich für ein Doppelalbum vorgesehen, aber als der Lockdown einsetzte, veranlasste sie die durch die Pandemie auferlegte Freizeit dazu, dieses Konzept zu überdenken. Während den Songs der letzte Schliff verabreicht wurde, fügte Ane Brun einen letzten Song hinzu, bevor sie die Aufnahmen in zwei Sammlungen aufteilte, die sich durch gegensätzliche Stimmungen unterschieden. Das eklektischere „After The Great Storm“ fokussiert ihre kristallklare, ergreifende Stimme, die von elektronischen und analogen Texturen umgarnt wird. Es dürfte diejenigen begeistern, die ihre ständigen stilistischen Neuerfindungen mögen. „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“, wird – obwohl auch diese Songs frische Techniken und Stile erforschen – denjenigen vertrauter sein, die sich an Ane Brun als die emotionale, gitarrenspielende Singer-Songwriterin erinnern, die um die Jahrhundertwende auftauchte.

Nach längerer Tragezeit erscheint das Album zu einem ungewöhnlich perfekten Zeitpunkt. “Both albums deal with the bigger questions in life, but in 2020 these questions have become even bigger. Even though I wrote most of them before this whole pandemic started, I feel they all have a message that fits the situation we’re in: frustration over the state of the world, how to grieve for a loved one, existentialism, love, relationships, loneliness, inner struggles, sleepless nights… I guess they’re just about being human.” Menschlich sein bedeutet in diesem Sinne immer auch, dass wir Trost und Gemeinschaft brauchen. Ane Brun hat sich die Zeit genommen, unserem Streben danach einen weiteren unvergesslichen Beitrag zu leisten.

Tracks
1 Honey
2 After The Great Storm
3 Don’t Run And Hide
4 Crumbs
5 Feeling Like I Wanna Cry
6 Take Hold Of Me
7 Fingerprints
8 The Waiting
9 We Need A Mother

Ane Brun „After the Great Storm“
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