Exil der frechen Frauen

An einem Frühlingstag in den goldenen Zwanzigern trägt sich in Berlin Unerhörtes zu: Mit der Pistole in der Hand befreit eine junge Frau ihren Liebhaber aus dem Gefängnis. Zwei angehende Schriftstellerinnen, hingerissen von der Frechheit ihrer Altersgenossin, gründen in einem Café voll Übermut einen Verein frecher Frauen. Keine fünfzehn Jahre später sind die drei lebensfrohen Frauen tot, in Bernburg vergast die eine, in Auschwitz die andere, die dritte von Stalins Geheimdienst erschossen.

Der Roman erzählt von dem, was dazwischenliegt. Drei Leben, gelebt in vielen Ländern, in Gesellschaft zahlreicher berühmter Zeitgenossen – darunter Bertolt Brecht, Anna Seghers, Lion Feuchtwanger, Thomas Mann, Georgi Dimitroff, Stalin, Annemarie Schwarzenbach, Tina Modotti, Ernst Busch – und ebenso vieler namenloser. Die drei Frauen, Maria Osten, Ruth Rewald und Olga Benario, gehören nicht zu den Großen des Exils, ihre Namen sind längst vergessen. Grund genug, um von ihnen zu erzählen, von ihrem Alltag, von ihren politischen Kämpfen, von ihren Kindern, Männern und Geliebten. Insbesondere aber von ihrer Arbeit als Schriftstellerinnen, von ihren Versuchen, als Künstlerinnen zu sich selbst zu kommen, von ihren Freundschaften mit anderen Künstlerinnen – Schriftstellerinnen und Fotografinnen.

Das Wesen dieser drei Lebensgeschichten ist, wie das der ganzen Epoche, das Nomadische. Auf Eisenbahnfahrten, in Flugzeugen und auf Ozeandampfern überqueren die Frauen viele europäische und auch außereuropäische grenzen, oft illegal, oft unter fremden Namen und mit wechselnder Identität. Olga geht nach Brasilien, Maria lebt in Moskau, Paris und anderswo, Ruth schlägt sich nach Paris durch. Immer von Neuem werden sie konfrontiert mit fremden Kulturen, mit fremden Sprachen, Erzählungen und Mythen.

Ebenso wie die ablaufende Zeit bestimmt die Geografie das Erzählen. In einem Chor von Stimmen wird eine Epoche in all ihren unüberwindbaren Widersprüchen, mit ihren wilden Aufbrüchen und schwindenden Hoffnungen zum Gegenstand einer epischen Erzählung. Darüber steht die Frage nach dem Wert des Lebens und dem wirklichen Sinn all der verlorenen Schlachten. Ein ebenso packender wie bewegender Roman über den deutschen Widerstand im Exil – anhand von drei verbürgten Frauenbiografien. So, aber auch anders, könnte es gewesen sein.

Autor
Robert Cohen
, geboren 1941 in Zürich, lebt seit 1980 in den USA. Vor der Hinwendung zur Germanistik studierte er an der staatlichen Filmhochschule in Paris, bis 2012 lehrte er deutsche Literatur an der New York University. Er verfasste zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts, gab Werke von Peter Weiss und Anna Seghers sowie den Gefängnis- und KZ-Briefwechsel von Olga Benario heraus.

Exil der frechen Frauen
Autor: Robert Cohen
624 Seiten, Broschur
Unionsverlag
Euro 16,95 (D)
Euro 17,50 (A)
sFr 22,90 (UVP)
ISBN 978-3-293-20874-2