Gizmo Varillas „Out Of The Darkness“

Als der spanische Sänger und Songwriter Gizmo Varillas im letzten Jahr die Songs für sein nunmehr drittes Album zusammenstellte und ihm den Titel „Out Of The Darkness“ gab, war von einer weltweiten Pandemie, die das gesellschaftliche Leben rund um den Globus drastisch einschränken und einen Großteil der Wirtschaft zum Erliegen bringen würde, noch nichts zu hören und zu sehen. Die Corona-Krise hat die Welt erschüttert und nicht allein wegen all der bedrohten Existenzen und der Tausenden von Menschenleben, die das Virus kostet, erleben wir ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte, dessen Ausgang derzeit noch ungewiss ist.

Die Songs auf „Out Of The Darkness“ handeln größtenteils davon, wie man trotz aller Widrigkeiten im Leben Hoffnung schöpfen und diese mit Optimismus überwinden kann. Gizmos Gedanken und Betrachtungen zu Rückschlägen und Misserfolgen mögen zum größten Teil persönlicher Natur sein, treffen nun jedoch wider Erwarten den Nerv der Zeit. Gizmo selbst bezeichnet sein Album als „eine Sammlung von Liedern über Veränderung und darüber, es auf die andere Seite zu schaffen. Im vergangenen Jahr habe ich viel über die dunklen Zeiten nachgedacht, die ich in meinem Leben bewältigt habe.“

Dass er bei aller Gedankenschwere ein instinktiv gutes Gespür für federleicht arrangierte Popsongs mit World Music Appeal hat, demonstrierte der in London lebende Künstler, der seinen Lebensmittelpunkt von Kindesbeinen an mal in Spanien, mal in Großbritannien hatte und auch lange Zeit in Südfrankreich verbracht hat, bereits auf seinem Debütalbum „El Dorado“ (2016) und dem Nachfolgewerk „Dreaming Of Better Days“ (2018). Doch aus einem zurückgezogen lebenden Künstler, der seine Songs im eigenen Wohnzimmer aufnahm (und dabei allerdings auf ein kunterbuntes Arsenal von Instrumenten aus aller Welt zurückgriff), ist längst ein Bandleader erwachsen, der mit dem Bassisten Mike Kenna und dem Schlagzeuger Jesper Lind superbe Begleiter hat, die ihn nun auch bei den Albumaufnahmen unterstützten. Für die Single „Saving Grace“ konnte Gizmo zudem Afrofunk-Legende Tony Allen gewinnen, dessen schillernde Karriere von Fela Kuti’s Africa 70 bis The Good, The Bad & The Queen reicht.

„Love Over Everything“, der Opener (und die aktuelle Single) des Albums, ist in vielerlei Hinsicht ein für das künstlerische Schaffen von Gizmo Varillas prototypischer Song, der sich in Windeseile auf etlichen Playlists britischer Radiosender wiederfand. Aus dem kurzen folkloristischen Intro mit einer Charango (das ursprünglich aus den Anden stammende Zupfinstrument) entfaltet sich eine sonnendurchflutete Popmelodie und erwächst eine inspirierende Botschaft: „Auch wenn wir uns nicht immer aussuchen können, was mit uns geschieht, können wir uns aussuchen, wie wir reagieren. Sich für Hass zu entscheiden ist viel einfacher und führt uns in einen Teufelskreis. Die einzige Möglichkeit, wirklich zu genesen, ist, die Liebe über alles zu stellen.“

Varillas gelingt es mit seiner sanft verführerischen Stimme stets, sich auf eine natürliche, angenehm bittersüße Weise auszudrücken, und im Verlauf des neuen Albums stößt man auf viele dieser musikalischen Genüsse, die auch zeigen, dass er bei aller Unverwechselbarkeit stets bestrebt ist, etwas Neues auszuprobieren. Das überbordende „Born Again“ ist nicht nur ein herrlich optimistischer Song, sondern ist mit seinen Einflüssen von sowohl Afro-Disco als auch Funk eine der modernsten Aufnahmen – inklusive Auto-Tune light. Für die exzellente Abmischung des Albums sorgte übrigens der Südafrikaner Ewald Jansen.

Eine weitere Neuerung: Zum ersten Mal nutzte Gizmo bei vier seiner Songs Streichmusiker – arrangiert unter der Leitung von Rob Lewis –, vor allem auf dem unbekümmerten, mit leichtem Jazz-Swing aufwartenden „Writing’s On The Wall“. Auf dem überraschend hymnischen „Burning Bridges“ ersetzt der von ihm bislang nie verwendete Synthesizer die akustische Gitarre, die man eigentlich bei einem Protestsong gegen den Brexit hätte erwarten dürfen. „Cold“ hingegen reflektiert die Schwierigkeiten einer zehnjährigen Partnerschaft und ist wahrscheinlich der persönlichste Song, den er bisher veröffentlicht hat.

Auf der farblich so unterschiedlich gestalteten Palette seiner neuen Songs, die genauso knallig bunt ist wie all seine Single- und Albumcovermotive, begibt sich Gizmo nicht nur einmal mehr in die künstlerischen Fahrwasser von Paul Simon und Manu Chao („One Day At A Time“, „Out Of The Darkness“), er ließ sich auch von dem argentinischen Filmkomponisten Gustavo Santaolalla zu „Danza De Sombras“ inspirieren (ein Song, der schlicht und einfach die Musik als Kunstform feiert). Seine Fangemeinde spanischsprachiger Songs dürfte sich indes besonders an „Bella Flor“ und „A La Vida“ erfreuen, und mit Songs wie „Rise“, „A Silver Lining“ und „Keep On Shining“ verbreitet er auf aufmunternde und wohltuende Art und Weise Optimismus, Zuversicht und jede Menge guter Laune.

Wie sagte bereits Konfuzius: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu schimpfen.“ Auf „Out Of The Darkness“ geht Gizmo Varillas mit leuchtendem Beispiel voran. Und 30 Millionen Streams bei Spotify sind der beste Beweis, dass ihm bereits viele folgen.

Tracks
1 Love Over Everything
2 Born Again
3 Rise
4 Writing’s On The Wall
5 Bella Flor
6 One Day At A Time
7 Burning Bridges
8 Saving Grace
9 Danza De Sombras
10 A Silver Lining
11 Cold
12 Keep Shining On
13 A La Vida
14 Out Of The Darkness

Gizmo Varillas „Out Of The Darkness“
Big Lake