Krissy Matthews „Pizza Man Blues“

Frühjahr 2020. Krissy Matthews ist 28 Jahre alt. Seit dem Schulabgang mit 16 kennt der Bandleader britisch-norwegischer Herkunft nichts anderes als Alben, Tourneen und gerissene Gitarrensaiten. Mehr als 1000 absolvierte Konzerte stehen als Beweis für sein unersättliches Bestreben.

Sein neues Album auf Ruf Records, Pizza Man Blues, fängt den Moment ein, in dem jede Sicherheit verschwunden ist. In den Songs erfahren wir, wie ein vertrautes Leben zunächst zerstört, dann langsam wieder aufgebaut wird und wieso der Erzähler im Nachhinein einen schärferen Blick besitzt. „Im vergangenen Jahr haben wir uns alle an die neuen Bedingungen anpassen müssen“, reflektiert Matthews. „Ich durfte zwar nicht mehr auf Tour gehen, habe aber versucht – während ich meinen Kopf irgendwie über Wasser hielt – meine Leidenschaft beizubehalten. Ich habe gejobbt wie ein Verrückter: als Pizzabote, als Blumenlieferant, als Assistent eines Baumchirurgen, als ehrenamtlicher Helfer des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS. In den neuen Songs verarbeite ich diese Erfahrungen.“

Wenn es um seine Anfänge als Musiker geht, kann der im Jahr 1992 geborene Matthews viele unglaubliche Geschichten erzählen. Mit gerade mal drei Jahren sang er den Roy Orbison-Klassiker „Oh, Pretty Woman“ bei einem Auftritt seines Vaters. Mit 12 Jahren wurde er im Rahmen des Notodden Blues Festivals von John Mayall auf die Bühne gerufen. Weitere Highlights waren die denkwürdigen Begegnungen mit Jeff Healey und B.B. King und seine Tourneen als Vorband für Robben Ford und Walter Trout. Sein vielseitiges Talent beschrieb Classic Rock mit dem Satz: „Er schreibt, singt und spielt wie ein Besessener.“

Seit dem Debüt mit Blues Boy im Jahr 2006 hat Matthews wahrlich eine Menge erlebt. Nur so entsteht eine künstlerische Reife, wie sie auf Pizza Man Blues zu hören ist. Mit diesem Album führt er eine ergiebige Partnerschaft fort, die 2015 im Rahmen der LP Scenes From A Moving Window begann und 2019 mit Monster In Me noch vertieft wurde.

Die Aufnahmen sind im vergangenen September in den Echo Studios im britischen Buckingham entstanden. Stilistisch überschreitet der junge Musiker viele Grenzen – von Rock, Soul und Blues bis hin zu Country, Folk und Indie.

Der erste Track „Mayday“ ist ein starkes Statement, das Lemmy von Motörhead sicherlich gefallen hätte. Zu einem wilden Fuzz-Lick und einem bombastischen Refrain stellt der Song wichtige Fragen. „Ich sehe ihn als eine Art Brief von Mutter Natur an die Erde“, erklärt Matthews. „Sie will, dass wir etwas ändern.” „The Man Said No“ setzt den Überlebenskampf des vergangenen Jahres in Musik um: Im Rhythmus hallen etwa die vielen Schritte, die er damals bei der Jobsuche machen musste. Die traurigen Orgel-Klänge von „Can’t Keep Us Apart“ verströmen ein Gefühl von Liebeskummer und zwar nicht von ungefähr: Der Titeltrack „Pizza Man Blues“ besticht mit klatschenden Händen, Sprechchor, roboterhafter Gitarre und vor allem viel Humor. „Einmal sollte ich Pizzen an eine Kasernenanlage liefern. Dort wurde ich von einer bewaffneten Wache empfangen“, lacht er. „Ich musste ihr versichern, dass in den Pizzen kein Sprengstoff war!“

Als „Grateful“ langsam ausgeblendet wird – und damit Matthews’ wohl bestes Album zu Ende geht – liegt die Lebensphilosophie des Songs in der Luft. „Eine Pandemie abwarten, während des Brexits, ohne die Freundin und ohne die Möglichkeit auf Tour zu gehen – das ist nicht gerade eine ideale Lebenslage“, überlegt er. „Trotzdem finde ich viele Gründe, dankbar zu sein. Ich habe großes Glück. Um harte Zeiten zu überstehen, muss man halt an das Gute glauben.“

Tracks
1 Mayday
2 The Man Said No
3 Disaster
4 Anti-Social Media
5 Hairdryin‘ Drummer Man
6 Pizza Man Blues
7 Ride
8 Carry You
9 Grateful
10 Grateful Unplugged Feat. Layla Zoe & Felix Peikli

Krissy Matthews „Pizza Man Blues“
Ruf Records