Mariza „Mariza Canta Amália“

Zwei Stimmen. Einmalig, anmutig. Amália Rodrigues, die verstorbene „Königin des Fado“, wurde als einzigartige Sängerin in einer Reihe mit den ganz großen Stimmen des populären Lieds des 20. Jahrhundert genannt – mit Édith Piaf, Frank Sinatra, Ella Fitzgerald und Oum Kalthoum. Mariza verhalf dem Fado ihrerseits zu neuer Relevanz im 21. Jahrhundert. Zusammen sind Amália und Mariza zwei der wegweisendsten, einflussreichsten und stilprägendsten Kreativkräfte des Fado, dem Exlibris der populären portugiesischen Musik, einem Weltkulturerbe.

Beide Künstlerinnen haben auch ungeachtet ihrer Herkunft Portugal viel gemeinsam. Mariza riss die Menschen weltweit während ihrer Gastspiele in legendären Konzerthäusern wie dem Pariser Olympia oder der New Yorker Carnegie Hall in derselben Wucht mit wie Amália in den 1950er- und 1960er-Jahren vor ihr. Mit ihren hochgelobten Albumeinspielungen und ihren überraschenden, aufsehenerregenden Kollaborationen, erweiterte Mariza eigenhändig die moderne Auffassung dessen, was Fado ist. Wie es nur Amália vor ihr in den 1960er- und 1970er-Jahren möglich war, wurde Mariza zur Botschafterin der Portugiesischen Musik im 21. Jahrhundert.

Mariza und Amália – das sind zwei Stimmen, die sich begegnen mussten. Was für alle Fado-Interpreten, die etwas auf sich halten, eine Pflichtübung ist, nahm sich in Marizas künstlerischem Werdegang wie eine Initiation aus: Bereits in den Anfangstagen ihrer Karriere sang sie auf der Bühne und im Studio kontinuierlich Stücke aus Amálias Repertoire. Aber nie zuvor wagte Mariza den Schritt, ein ganzes Album voller Amália-Klassiker aufzunehmen. Jetzt ist es soweit.

Anlässlich ihres 20. Karrierejubiläums und des 100. Todestages von Amália, veröffentlicht sie „Mariza Canta Amália“. „Ich finde, ich hätte keinen besseren Weg finden können, Amália Tribut zu zollen, und ihr für das Erbe und die Inspiration zu danken, die sie uns hinterlassen hat, als mit diesem Album“, sagt Mariza. Es war schon lange damit zu rechnen, doch erst kürzlich hat Mariza zehn Amália-Standards für das 21. Jahrhundert gebündelt und neugedeutet. Deren Seelen blieben intakt, ihre Identitäten weisen unverkennbar Richtung Amália. Ihre Ausgestaltungen jedoch sind so geschmackvoll anders gelungen, wie sie in den künstlerischen und gesellschaftlichen Visionen Amálias immer unberechenbar gehalten werden sollten.

Apropos Visionen. Amália und Mariza sind nicht nur musikalische Initiatorinnen. Beide waren und sind auch beispielhafte Vordenkerinnen für weibliche Selbstbestimmung. Lange bevor das Patriarchat Bühnenakteurinnen zähneknirschend deutlich mehr zugestehen musste als reinen Unterhaltungswert, hatte sich Amália dank ihres Muts zur Selbstermächtigung, Vorbildcharakter für unzählige Frauen erkämpft. Mit Liebe. Dieser Tugend folgt Mariza heute auf ihre Weise selbstbewusst, selbstwertschätzend, beseelt und mit großem Sendungsbewusstsein.

Die „Mariza Canta Amália“-Songs wurden ganz traditionell mit der Portugiesischen und der Klassischen Gitarre eingespielt. Aber Mariza erhebt ihre Stimme diesmal, und das ist das Besondere Merkmal ihres neuen Albums, vor allem flankiert von den großen Klängen eines Orchesters. Als Amália es in den 1940er-Jahren erstmals wagte, sich von einem Orchester begleiten zu lassen, kam das einem „Skandal“ gleich. Puristen schrien damals „Verrat!“, bevor ihnen bewusst wurde, dass Amália der populären Portugiesischen Musik mit dem Nutzen des größtmöglichen Klangkörpers neue emotionale Möglichkeiten eröffnete.

Zur Umsetzung und Gestaltung ihres neuen Albums lud Mariza einen alten Freund ein: Jaques Morelenbaum. Der brasilianische Musiker und Produzent, ein regelmäßiger Komplize von Ryuichi Sakamoto und Caetano Veloso, hatte bereits Marizas Album „Transparente“ produziert, das 2005 erschienen war und mit 3-fach-Platin ausgezeichnet wurde. Für „Mariza Canta Amália“ schuf er eine Reihe einnehmender, beseelter Orchester-Arrangements, die gleichsam klassisch und innovativ anmuten. Mariza öffnete er damit Räume, die es ihr ermöglichten, tief in die Strukturen der Songs einzutauchen, um sie frisch klingen zu lassen und mit hinreißender Schönheit zu versehen.

Mariza hat überall auf der Welt umjubelte Gastspiele gegeben, sie veröffentlichte Alben, die mit Vielfach-Platin prämiert wurden und die Charts anführten. Ihr wurden auch eine endlose Reihe prestigeträchtiger Preise zuteil. Im Angesicht der Standards aber, die Fado für ein globales Publikum definierten, fing für sie im Studio alles wieder von vorne an. Amália-Songs hatte sie vereinzelt immer wieder aufgenommen. Aber nie in dieser Form, nie mit diesem erarbeiteten Erfahrungsschatz, dieser Weisheit, dieser kraftvollen, souveränen Art der Interpretation. Jetzt war die Zeit reif dafür, die Größenordnungen der einmaligen Amália-Klassiker neu zu bemessen: „Gaivota“, „Estranha Forma de Vida“, „Com que Voz“, „Fado Português“, „Povo que Lavas no Rio“, „Foi Deus“…

In den insgesamt zehn Stücken des Albums wird Mariza ihren gewonnenen Awards, ihrem Erfolg, ihren vielgelobten Live-Aufführungen mehr als gerecht. Und sie übernimmt das Amt mit Bravour, das Amália einst innehatte: „Mariza Canta Amália“ wurde in Lissabon und Rio de Janeiro in der Form eingespielt, wie einst nur Amália Platten aufnehmen konnte. Und so, wie sie nur Mariza einzuspielen vermag. Ist es Fado? Ja und nein. Es ist vor allem himmlisch-schöne Musik.

Tracks
Com Que Voz
Barco Negro
Lagrima
Formiga Bossa Nova
Estranha Forma De Vida
Cravos De Papel
Povo Que Lavas No Rio
Foi Deus
Gaivota
Fado Portugues

Mariza „Mariza Canta Amália“
Warner Music International