Maya Fadeeva „Edge Of Eden“
Maya Fadeeva ist studierte Jazz-Sängerin und weltgereiste Komponistin. Als Gestalterin poetischer Groove-Perlen legt sie ein soulgekröntes neues Album vor: „Edge Of Eden“.
Es gehört weniger Mut als vielmehr unbestreitbares gesangliches Können dazu, einer Platte die Stimme voranzustellen. „For You“, der erste Song des neuen Maya Fadeeva-Albums „Edge Of Eden“, gibt mit erdig-sinnlichem Kantus die erbauliche Fährte vor, auf der die Studioeinspielung lustwandelt. Dem zunächst karg instrumentierten Pulsmuster des Stücks wird von Strophe zu Strophe mehr geschmackvoll geschichtetes Groove-Momentum geschaffen. Schlussendlich bestimmt sogar ein Saxofon akzentuierend die Metrik mit. Das feinjustierte Arrangement basiert auf Maya Fadeevas Musikerinnenvermögen, klassisches Songwriting mit klangästhetischer Moderne korrespondieren zu lassen. Handgespieltes und Samples ergeben unter ihrer Ägide etwas Drittes, ein offenes System. Das Freiheitliche des Jazz trifft darin auf die Geschmeidigkeit des Soul. Die Hintertüre für funky Licks, die Fadeeva vorzugsweise mit aufrichtiger Songaussage paart, bleibt derweil beständig weit geöffnet.
„Warrior“, eine auf Hip-Hop-Beats basierende Ballade, stellt spielerisch das antiquierte Leiden-für-die-Liebe-Klischee auf den Kopf. Kontinuierlich wirft Fadeeva in den darauffolgenden Songs Beziehungsfragen auf: In welchem Verhältnis stehen wir einander gegenüber und zum Leben sowie schließlich zu uns selbst? Wie Kapitel eines Buchs, die zusammengenommen eine spannungsgeladene, einfühlsam vermittelte Storyline ergeben, sind die neun neuen „Edge Of Eden“-Songs aufgestellt. „For You“ markiert als Einladung zur Interaktion zwischen Fadeeva und ihren Zuhörer:innen den Anfang der Platte. „It’s Your Turn“ meint an deren Ende: Nehmt das Gehörte und Erlebte, um etwas Eigenes daraus zu kreieren, ganz gleich in welcher Form! Die einfache Ukulelen-Begleitung des Schlussstücks ist durchaus ermutigend intendiert.
Der Hauptteil des Albums grüßt indessen freundlich-huldigend, aber keineswegs götzenhaft-kopierend zwei Großmeister raffiniert arrangierter Popmusik. „Hallo Walter! Willkommen Donald!“, ruft Maya Fadeeva den Steely Dan-Helden Becker und Fagen entgegen. In die Musikmoderne übertragen, dient deren nachhallender Geist Fadeeva zum freiheitsschaffenden Brückenbau zwischen Künstler:innen- und Zuhörer:Innen-Seele. „Edge Of Eden“ flirtet trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Basierens auf Popsongstrukturen konsequent mit dem Jazz. Immer wieder brechen Akkorde aus gradlinig wirkenden Anordnungen zum Erkunden parallel verlaufender Musikspielweisen heraus.
Das kurzweilige „Trompetensolo“ im Finale des lateinamerikanisch anmutenden Songs „Mukunda“ etwa entwickelt Sog als gesungener Monolog. Fadeevas Stimme lässt indes keinen Zweifel daran, dass sie auf außergewöhnlicher Disziplin fußt. Deren Kunstfertigkeit ist das Vermögen, jeden Zuhörer direkt anzusprechen. Jede Sehnsucht, die sie vermittelt, motiviert zum Sehnen. Jedes Grundvertrauen ins Konstruktive des menschlichen Geistes, animiert zur Selbsterkundung. Die Musik will dazu keineswegs überfordern. Gleichwohl bevormundet sie nicht etwa mit allzu einfacher Plakativität.
Vom Unterschied zwischen menschlicher Schönheit und menschengemachter Schwere erzählt Maya Fadeevas „Edge Of Eden“ inhaltlich.
„Ich will in meinen Texten nicht pädagogisieren, sondern Einladungen zum konstruktiven Reflektieren formulieren“, erklärt Maya Fadeeva die Narrative ihrer Songs. „Der massiven spalterischen Last, der wir alle zunehmend stärker ausgesetzt sind, möchte ich die Kraft der Resilienz gegenüberstellen. Es wird überall mit der vermeintlichen Macht der Angst hantiert. Die Kunst muss sich jedoch nicht auf deren Seite schlagen, denn dann schlägt sie zurück. Es bedarf großer Anstrengung, ständig gegen die Angst anzukämpfen. Nimmt man seine Gefühle hingegen an, entsteht Transformation. Sie lässt widerstandsfähiger und empfänglicher werden für das Konstruktive des menschlichen Geistes. Ich möchte in meinen Songs ein Angebot zur Selbstoffenheit aussprechen.“
Folgerichtig ist der juvenil swingende Song „Sing As One“ ein Appell an den Individualismus. Gemeinschaftliches Singen ist gut, solange die eigene Stimme nicht im Chor der Gleichschaltung untergeht. „All A Dream“ paradiert keck-funky von wohlig-souligen Trompeten-Krönchen flankiert, erhaben der Selbstgnade entgegen. Gäbe es so etwas wie ein Musikparadies, hätte sich „Edge Of Eden“ seinen Platz darin zweifellos erspielt. Wie sich die Schwelle dorthin im übertragenen menschlichen Sinne überwinden lässt, skizziert Maya Fadeeva auf ihrem neuen Album einnehmend beseelt.
Maya Fadeeva „Edge Of Eden“
Eigenproduktion