Homo destructor

Angesichts der Größe der heutigen Umweltzerstörungen stellt sich die Frage: Ist der Mensch ein homo destructor, der seine Umwelt immer und überall zerstört? Das Opus magnum des bekannten Geographen und Alpenforschers Werner Bätzing gibt darauf eine Antwort in Form einer breit angelegten, bis zu Entstehung des Homo sapiens zurückreichenden Geschichte unserer Beziehung zur Natur. Um die drohende Zerstörung der vom Menschen geprägten Welt zu verhindern, so Bätzings These, ist es nötig, dass wir einen Schritt zurückgehen und die Erfahrungen der vormodernen Gesellschaft im Umgang mit Natur und Umwelt wieder stärker berücksichtigen.

Um zu überleben, hat der Mensch bereits sehr früh in die vorgefundene Natur eingegriffen und sie verändert. Aber er hat sich stets darum bemüht, diese Veränderungen so zu gestalten, dass seine eigenen Lebensgrundlagen den nachfolgenden Generationen erhalten blieben. Erst mit den modernen Naturwissenschaften, mit Aufklärung, Industrieller Revolution und Marktwirtschaft setzt sich ein Denken und Handeln durch, das Natur und Umwelt kurzfristig vernutzt, ohne an ihre Erhaltung und an die Auswirkungen für die Zukunft zu denken. Mittlerweile wird deutlich, dass ein solches Denken und Handeln die gesamte Umwelt immer mehr zerstört und letztlich zur Selbstzerstörung des Menschen führt.

Rezi
Werner Bätzings neues Werk von der Entstehung des Menschen bis zur heutigen Umweltkrise.
Die Entwicklung des Menschen ist eine Geschichte weitreichender Durchbrüche und gewaltiger Umbrüche. Sie ist ebenso eine Geschichte der zunehmenden Naturaneignung und damit einhergehender Umweltprobleme. Werner Bätzing unternimmt eine umfassende Aufarbeitung der Mensch-Umwelt-Geschichte von den Anfängen der Menschwerdung bis heute.
Souverän trägt er eine große Zahl an Erkenntnissen über diese Entwicklungsgeschichte mit einer Fülle von interessanten Befunden zusammen. Beispielsweise ist die Landwirtschaft nicht nur im fruchtbaren Halbmond (Naher und Mittlerer Osten) entstanden, sondern unabhängig voneinander mindestens neun Mal auf der Welt wie beispielsweise auch in Amazonien und im Hochland von Neuguinea. Diese Art der Darstellung öffnet den Blick auf überkommene Vorstellungen und weitet die Perspektiven.
Bätzing behandelt die Herausbildung und Entwicklung von Stadtstaaten und Großreichen ebenso wie die Bedeutung des Hirtennomadismus und deren Großreiche, die Herausbildung der Industriegesellschaften ebenso wie moderne Dienstleistungsgesellschaften. Sein Buch ist jedoch in keiner Weise eine Ansammlung von vielen einzelnen, für sich interessanten Zeiten der Geschichte. Vielmehr wird das Buch zusammengehalten durch eine durchgängige Perspektive spezifisch zur Bedeutung dieser verschiedenen Epochen und Entwicklungen für die Mensch-Natur-Beziehungen.
Dabei ziehen sich einige Linien wie ein roter Faden durch das Buch. Die zunehmenden Potenziale der Naturaneignung wurden über viele Phasen hinweg durch eine Selbstbegrenzung einigermaßen eingehegt, auch wenn gewisse Umweltschäden immer wieder in der Geschichte auftraten. Nach Bätzing nahmen die Umweltbelastungen und Naturzerstörungen dagegen erst mit der industriellen Revolution massiv zu. Diese Entwicklung wurde ab etwa den 1950er Jahren in ihren Dimensionen nochmals dramatisch gesteigert. Dies ist als 1950er Syndrom bzw. große Akzeleration bekannt. In dieser historisch betrachtet vergleichsweise kurzen Zeitspanne der massiven Zunahme der Naturzerstörung sieht er einen gewissen Hoffnungsschimmer, die Umweltkrise trotz aller Zuspitzungen noch beherrschen zu können. Seine Botschaft lautet: Es geht darum, wieder eine kulturelle Selbstbegrenzung zu gewährleisten. Die uralte Idee des „richtigen Maßes“ kann aus seiner Sicht für unsere heutige Zeit adaptiert wieder neu als Leitidee und Orientierung dienen. Es geht ihm darum, dass der Mensch nicht endgültig zum Homo Destructor wird.
Das Buch von Bätzing baut auf seinen jahrzehntelangen Arbeiten zum Alpenraum ebenso wie auf seiner profunden Kenntnis in vielen anderen Erdregionen und unterschiedlichen Phasen der Menschheitsgeschichte auf. Es verspricht eine anregende und spannende Lektüre. (Martin Held, Tutzing Freier Mitarbeiter Evangelische Akademie Tutzing und Koordinator „Transformateure – Akteure der großen Transformation“)

Autor
Werner Bätzing, Prof. em.
für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg, ist als Alpenforscher in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit sehr bekannt worden. Für seine Arbeiten zum Alpenraum erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Neben den Alpen beschäftigt er sich seit langem auch mit den ländlichen Räumen in Bayern, Deutschland und Europa und mit der Geschichte des Mensch-Umwelt-Verhältnisses in globaler Perspektive. Charakteristisch für seine Arbeiten ist ein integrativer und partizipativer Forchungsansatz.

Homo destructor
Autor: Werner Bätzing, Prof. em.
463 Seiten, gebunden
C.H. Beck
Euro 32,00 (D)
ISBN 978-3-406-80668-1