Kristina Brodersen & Tobias Weindorf „Habakuk“
Musik machen kann so einfach sein: Saxofon auspacken, den Deckel des Flügels öffnen und los geht’s! Man könnte es auch schlicht Hausmusik nennen, wenn man dabei nicht zwangsläufig an schiefe Blockflöten und gut gemeinte Weihnachtslieder denken würde. Und dennoch ist das, was Kristina Brodersen und Tobias Weindorf machen, Hausmusik in Reinkultur, nur eben auf einer ganz anderen Ebene und in einem ganz anderen Metier. Denn die Saxofonistin und der Pianist sind auch jenseits der Bühne ein Paar, und das seit fast 20 Jahren.
Kennengelernt haben sie sich im Studium in der in einem Studio der Kölner Musikhochschule – und ob die Liebe oder die gemeinsame Liebe zum Jazz zuerst da war, lässt sich heute nicht mehr so ganz genau rekonstruieren. Fest steht: Jazz verbindet die beiden bis heute und bildet neben der Familie mit zwei Kindern ihren Lebensmittelpunkt. Und wo andere Paare längst an ihre Grenzen kommen, fängt es bei ihnen erst so richtig an: „Uns geht es sogar besser, wenn wir mehr zusammen spielen, da sind wir im Alltag viel ausgeglichener“, sagt Tobias Weindorf. Einen Eindruck, den Kristina Brodersen nur bestätigen kann: „Das Ganze wirkt sich positiv aus, weil die Musik immer und überall im Raum ist“.
Musik als erweitertes „Sprachrohr“, Dialoge in Takten und Tönen. Und genau das macht auch die Qualität dieses bestens eingespielten Kölner Jazz-Duos aus: natürlich gibt es Absprachen, aber Vieles läuft organisch: Man kennt sich, weiß ganz genau wie der eine oder die andere tickt. Einander blind vertrauen, sich fallen lassen, man kann sich aber auch überraschen, natürlich auch mal reiben und reizen und sich gegenseitig aus der Reserve locken. Ein idealer Nährboden für die Improvisation.
Die Bühne als facettenreicher Spiegel des Zusammenlebens – oder das Zusammenleben als Stoff für die Bühne? Im Fall der neuen CD „Habakuk“ von Kristina Brodersen und Tobias Weindorf trifft all das zu, greift aber natürlich viel zu kurz. Denn Inspirationsquellen lassen sich bekanntermaßen überall finden, man muss nur genau hinschauen.
Auch andere Kunstformen waren dankbare Ideengeber, angefangen beim Titeltrack: für „Habakuk“ hat sich Kristina Brodersen von der gleichnamigen Skulptur im Max Ernst-Museum in Brühl inspirieren lassen. „Ich wollte unbedingt herausfinden, wie es sich anfühlt, mit solchen Bildern im Kopf etwas zu komponieren.“„The Island“ beruht auf einem Cartoon, den der legendäre Pianist Bill Evans 1980 für seine Freundin angefertigt hat. Mit „Frida Kahlo“ fing übrigens alles an, denn nach der Lektüre ihrer Biografie hat Kristina Brodersen prompt ein Stück für die mexikanische Malerin geschrieben.
Aber zurück zu Familie und Freunden: Tobias Weindorf hat nicht nur seinem kleinen Sohn („Luke“) und dessen älterem Bruder mit „Penanep“ zwei Kompositionen gewidmet, sondern auch seinen Freund und musikalischen Partner, den Lagwagon-Sänger Joey Cape „One for The Caper“ bedacht.
Zwei Tage haben sich Brodersen und Weindorf Zeit genommen, um in den Hansahaus-Studios mit Klaus Genuit ihr neues Album „Habakuk“ einzuspielen, sieben Jahre sind vergangen, seit sie ihr erstes Duoalbum „Rabaneo“ veröffentlicht haben. Genug Zeit also, um die neun Stücke ihrer neuen CD „Habakuk“ entstehen und reifen zu lassen. Und diesen Reifeprozess hört man den Duetten an: in ihren Kompositionen geben sie den Tönen viel Raum, spielen mehr mit offenen Einleitungen, experimentieren sorgsam mit Overdubs oder mit Klängen im offenen Flügel. Und halten damit gekonnt die Balance zwischen lyrischen Melodien, überraschenden Wendungen und kleinen Exkursen in die Jazzgeschichte. Musikalische Zwiegespräche, denen man gerne lauscht.
Tracks
1 One for the caper
2 Floating
3 Luke
4 Habakuk
5 The island
6 Frida Kahlo
7 Glauco’s groove
8 Ballad
9 Penanep
Kristina Brodersen & Tobias Weindorf „Habakuk“
Jazzsick Records