Kyles Tolone „Youth“
Zeitenwende. In der Politik bleibt der Begriff oft bloß eine Phrase. Im persönlichen Leben beschreibt er eine echte Veränderung. Vorbei sind die Nächte, in denen man durch die Straßen zog, als gäbe es kein Morgen. Neu sind jene, in denen der Nachwuchs weint und man um halb vier nachts nicht lautstark Gassenhauer über das Kopfsteinpflaster grölt, sondern ganz sanft das Kind in den Schlaf singt. Bei manchen, die nicht vollständig von ihrer Kunst leben und Getränkewünsche in den Tour-Rider schreiben dürfen, die allein schon so viel kosten wie für andere die ganze Albumproduktion haben, führt diese Zeitenwende oft dazu, dass Bands sich auflösen. Als wäre alles, was war, nur eine Jugendsünde gewesen.
Ganz anders verlief das bei Kyles Tolone, deren neues Album zwar „Youth“ heißt, weil es mit feiner Melancholie und gereifter Sprache einen Schlussstrich unter die Jugend zieht, deren Feuer aber weiterhin so ungebrochen ist, als hätten die Göttinger ein Debüt aufgenommen. Ein Debüt mit dem Wissen und Können aus zwölf Jahren und der Reifezeit, die ein Album braucht, damit es berührt und hängenbleibt. Fünf Jahre arbeitete das Quartett zusammen mit Produzent Paul Zimmermann an den Stücken, mitten in der Lockdown-Zeit zu achtzig Prozent jeder bei sich daheim und nur zu zwanzig bei Tom Woznik und Sören Kucz in den Lime Tree Studios bei Hildesheim, einem alten Bauernhaus, in dem das Organische und Beseelte schon aus den Holzbalken knarrt.
Am Mikrofon und Textblatt Eric A. Lee und an der Gitarre Daniel Mau. Am Bass weiterhin Johann Giertz, der allerdings zukünftig seine Bass Läufe aus Zeitgründen nur noch aus dem Hintergrund einsteuert. An den Fellen mit Daniel Petereit ein neuer Drummer, der einst bei Finder passionierten Postcore spielte und heute dem emotionalen Rock von Kyles Tolone die nötigen Ellbogen verleiht – gerade auch auf der Bühne als Trio. Herausgekommen sind zehn Szenen eines musikalischen Films, der einen durch verschiedenste Gemütslagen führt, von enthusiastischer Weltumarmung bis sanfter Trauer. Dabei bleibt die Geschichte ihrer Farbgebung, ihrer Kamera und ihrer Mission immer treu – die Stimmung eben jener persönlichen Zeitenwende einzufangen, dieses einzigartige Gefühl zwischen Schwermut und Aufbruch, zwischen Abschied und Neubeginn. Zwischen dem ungläubigen Blick zurück, der sagt: „Das ist alles schon vorbei?“ und dem zutiefst erfüllenden Blick nach vorn, der sagt: „Schau, was da noch alles kommt, wieviele Erinnerungen noch zu machen sind.“
Tracks
1. Open Your Eyes
2. Sinners
3. Silicon Love
4. Wait For Me Now
5. Into The Fire
6. Days Of Haze
7. Walk Out The Door
8. Youth
9. Love Twice
10. Going Home
Kyles Tolone „Youth“
Kyles Tolone