Reto Suhner Quartet „20“
Er ist kein Leader, der alles kontrollieren will. Im Gegenteil: Was Reto Suhner am liebsten tut, ist das In-Gang-Setzen von kreativen und interaktiven Prozessen. Mit anderen Worten: Suhner nimmt das basisdemokratische Potenzial, das im Jazz steckt, extrem ernst. Er selbst sagt auch, dass es ihm nicht um das Erreichen technischer Perfektion gehe, sondern darum, von der Musik überrascht und beflügelt zu werden.
Seit zwanzig Jahren hält Suhner an der Quartett-Formation mit Saxophon, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug fest. An und für sich handelt es sich dabei um eine Instrumentierung, die zum Courant Normal des Jazz gehört, die aber eben auch einen Grad von Spontaneität und Authentizität zulässt, die weit über diesen Courant Normal hinausgeht. Suhner verfolgt zwar kein fixes Konzept, aber trotzdem lässt sich festhalten, dass es ihm in der Musik seines Quartetts darum geht, zeitlose Jazz-Tugenden mit einer subtilen Form von Subversion zu kombinieren.
Dabei lässt er sich selbstverständlich auch von Hörerfahrungen und musikalischen Begegnungen inspirieren. So ist er zum Beispiel ein Bewunderer des Quartetts des Saxophonisten und Jazz-Visionärs Wayne Shorter, das bei seinen atemberaubenden Auftritten Tradition und Mysterium kurzschliesst. In letzter Zeit wurde Suhner nachhaltig von der Kooperation mit dem kauzigen und phänomenalen Multi-Instrumentalisten Scott Robinson geprägt. Und so frönt er nun auf der neuen Aufnahme seines Quartetts ebenfalls in unverkrampfter Weise einer instrumentalen Mehrgleisigkeit. Damit öffnet Suhner ein neues Tor und verschafft so seinem Quartett den Zutritt zu einem Terrain, wo manch ein neues Abenteuer auf die tollkühne Gruppe wartet.
Allerdings wäre es falsch, sich allzu stark von den neuen Klangfarben von der Essenz der Musik dieses Quartetts ablenken zu lassen. Diese Essenz liegt in der Gleichzeitigkeit von wendigen Spontan-Manövern und einem siebten Sinn für längere Spannungsbögen begründet. Mit anderen Worten: Das Quartett kostet die Süsse des Moments aus, weiss aber auch das Drama der Dauer zu schätzen. Tom Gsteiger
Reto Suhner Quartet „20“
Anuk Label