Der große Roman von Koreas berühmtestem Autor über den Luxus unserer Zeit und den Preis, den die Gesellschaft dafür zahlt

Am Rand der südkoreanischen Metropole Seoul liegt die »Blumeninsel«, eine gigantische Müllhalde, Lebensgrundlage und Wohnstätte einer Kolonie von Habenichtsen und Ausgestoßenen, die dort ihre Claims abgesteckt haben. Unentwegt durchkämmen sie den frischen Abfall der boomenden Stadt nach Verwertbarem. Hier landet der Held des Romans, der 13-jährige »Glupschaug«, zusammen mit seiner Mutter, nachdem sein Vater von der Regierung in ein »Umerziehungslager« gesteckt wurde.

Es ist kein tiefer Fall, denn sie kommen aus den wuchernden Slums der Mega-City, wo seine Mutter Straßenhändlerin ist. Glupschaug hat die Schule abgebrochen und geht seiner Mutter zur Hand, für die sich ein in der Hackordnung weit oben stehender Müllhaldenbewohner interessiert. Dieser »Baron« ist dem Helden unsympathisch, eine verhasste Stiefvaterfigur. Mit »Glatzfleck«, dem Sohn des Barons, freundet sich Glupschaug jedoch an und lernt von ihm alles, was man für das Leben hier wissen muss. Auf einem ihrer Abenteuerzüge rund um die Mülldeponie begegnen sie einem geheimnisvollen Mädchen, das sich selbst »Herrn Kims Tochter« nennt.

Vertraute Welt ist eine Kritik an der modernen Wegwerfgesellschaft. Der Roman führt uns zu den Randgruppen von Seoul, der glitzernden Hauptstadt und Metropole Südkoreas, die für das »Wunder am Han-Fluss« steht, und er zeigt, was hinter dem raschen wirtschaftlichen Aufstieg des Landes steckt, das Menschen ebenso aussondert wie Müll. Unverhofftes Opfer des zweifelhaften Fortschritts ist im Roman auch eine Bande altkoreanischer Kobolde. Sie hatten sich seit jeher auf dem Gelände der nunmehrigen Deponie herumgetrieben; die monströse Veränderung ihres angestammten Reviers setzt ihnen immer mehr zu.

Glupschaug und Glatzfleck schließen mit diesen Wesen aus einer vergangenen Welt Freundschaft. Damit scheint sich das Blatt für die beiden Jugendlichen zu wenden, zumindest vorerst …

Autor
Hwang Sok-yong
wurde 1943 im damaligen Mandschukuo (heute China) geboren. Schon als Jugendlicher gewann er mehrere Schreibwettbewerbe, brach aber die Schule ab, um als Wanderarbeiter auf Baustellen und in Fabriken Land und Leute seiner Heimat kennenzulernen. Als Philosophiestudent engagierte er sich im Widerstand gegen die Militärdiktatur und für den Schutz von Arbeiterrechten. Die Auseinandersetzung mit der politischen Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung durch die militant antikommunistische Regierung Südkoreas sollte ab den frühen 1970er-Jahren kennzeichnend für sein Werk werden. Wegen Verstoßes gegen das „Sicherheitsgesetz“ wurde er 1993 in Seoul zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1998 vom neugewählten Präsidenten Kim Dae-jung begnadigt. Eine Verarbeitung des Gefängnisaufenthalts ist der Dissidentenroman Der ferne Garten (1999). Seither hat Hwang in einer Reihe von Romanen, unter anderem Die Lotosblüte (2003) und Prinzessin Bari (2007), seine bisherigen Interessen mit dem Thema der internationalen Migration verknüpft, während er gleichzeitig verstärkt auf Stoffe und Motive aus der vormodernen koreanischen Erzähltradition zurückgreift. Mit zahlreichen nationalen und internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet, gilt Hwang Sok-yong als Südkoreas aussichtsreichster und würdigster Nobelpreiskandidat.

Vertraute Welt
Autor: Hwang Sok-yong
208 Seiten, gebunden
Europa Verlag
Euro 22,00 (D)
Euro 22,70 (A)
ISBN 978-3-958-90303-6