200 Jahre Theodor Fontane – Die Entdeckung der Heimat
Theodor Fontane formulierte mit seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein bürgerliches Heimatgefühl, das bis in die Gegenwart nachklingt – auch wenn ein Jahrhundert voller Schrecken und Katastrophen dazwischenliegt. Fontanes literarischer Aufruf, sich für die Geschichte der eigenen Region zu interessieren, hat heute wieder Konjunktur. In Zeiten von Globalisierung und weltweiter Vernetzung kann regionale Identität Halt und Orientierung bieten. Das TV-Event „Die Entdeckung der Heimat“ lädt dazu ein, auf Fontanes Spuren die spannende Geschichte der Region Berlin-Brandenburg lustvoll neu zu erkunden und einzutauchen in die Welt des märkischen Chronisten und Romanciers.
Teil 1 : Die Entdeckung der Heimat – Fontanes „Grafschaft Ruppin“
Teil 1 führt die Zuschauer in die ‚“Grafschaft Ruppin“, in der Fontane seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ startete. Auf Fontanes Spuren geht es zum Beispiel in das Dorf Karwe, wo Freiherr Krafft von dem Knesebeck den alten Familienbesitz nach der Wiedervereinigung neu aufgerichtet hat; nach Meseberg, wo das Bundeskanzleramt exklusiv für die Reihe die Tore des Gästehauses der Bundesregierung öffnete, und an den Stechlin, jenen sagenumwobenen See, der Fontane nach seinen ersten Besuchen nie wieder los ließ und der ihn zu seinem letzten großen Roman inspirierte.
In der ersten Folge steht Fontanes geliebter Schreibtisch am Ufer des Kalksees vor dem Herrenhaus von Binenwalde.
Teil 2: Die Entdeckung der Heimat – Fontanes „Oderland“
Als sich Fontane Anfang der 1860er Jahre aufmacht, die Geschichte und Geografie seiner Heimatregion zu erkunden, spürt er, dass umwälzende Veränderungen die alte Ordnung erfasst haben. Das Preußentum wird immer mehr von nationalem Gedankengut überlagert, Industrialisierung und Kapitalismus brechen die feudalen Strukturen auf und bringen die gesellschaftliche Statik ins Wanken. Das „alte Preußen“, das Fontane so verehrt und idealisiert, verschwindet in der Moderne. „Fontanes Oderland“ lag damals mitten in Preußen und Brandenburg heute bildet der Landstrich das Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen. Ausgangspunkt der filmischen Wanderung mit Fabian Hinrichs ist wieder Fontanes Schreibtisch. Er steht malerisch auf dem Oderdeich mit Blick auf das andere Ufer, das heute zu Polen gehört.
Von hier aus reist Hinrichs z. B. ins Oderbruch nach Letschin, wo der junge Theodor Fontane bei seinem Vater eine Ausbildung zum Apotheker absolvierte, an den Werbellinsee, auf dessen Grund dutzende Wracks sogenannter „Kaffen-Kähne“ liegen, und auf die andere Seite der Oder, nach Tamsel, heute Dabrozyn, wo einst Preußenkönig Friedrich II. als Jüngling eine Liaison mit einer schönen Gräfin gehabt haben soll.
Der Film dokumentiert zudem, wie das Oderbruch zum Garten Berlins wurde, und was es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutete, den Apothekerberuf zu erlernen. Das „Oderland“ ist im wahrsten Sinne des Wortes Fontanes „Vaterland“. Hier besuchte der Journalist und Schriftsteller seinen alten Vater, als der verarmt und einsam seine letzten Lebensjahre im abgelegenen Ort Schiffmühle verbringt. Ein schicksalhafter Landstrich für Fontane und für die Deutschen.
Teil 3: Die Entdeckung der Heimat – Fontanes „Havelland“
1873. Der 3. Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg ist erschienen: Das Havelland. Viel ist passiert seit Fontanes ersten Streifzügen. Preußen hat drei Kriege geführt. Erst gegen Dänemark, dann gegen Österreich, zuletzt gegen Frankreich. Und jetzt gibt es ein Deutsches Reich unter Preußens Führung. Und mittendrin: Das alte Brandenburg. Fontane schreibt: „In Brandenburg schmeckt alles nach Kiefer und Kaserne!“
Schauspieler Fabian Hinrichs, reist mit den Zuschauerinnen und Zuschauern in „Fontanes Havelland“. Er kommt zum ehemaligen Mustergut der preußischen Industriellenfamilie Borsig nach Groß Behnitz, besucht die alte Ziegeleimanufaktur in Glindow, in der im alten Ringofen noch heute so wie vor 150 Jahren Ziegel gebrannt werden, und reist schließlich in das legendäre Dorf Ribbeck, dem Fontane mit seinem berühmten Gedicht vom Birnbaum ein literarisches Denkmal gesetzt hat.
Mit den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ gelingt Fontane der publizistische Durchbruch. Aus dem Lohnschreiber in Diensten der preußischen Regierung und dem „angestellten Scriblifax“ wird ein anerkannter Reiseschriftsteller. Erst deutlich später, in den letzten Jahren seines Lebens, entstehen seine großen Romane, die ihn zum Meister des bürgerlichen Realismus machen und die zu den großen Werken der europäischen Literaturgeschichte gehören: „Frau Jenny Treibel“, „Effi Briest“, „Der Stechlin“.
Über das Havelland schreibt Fontane zum Schluss in seinen Wanderungen: „Der Tag neigt sich; der Sonnenball lugt nur noch blutrot aus dem Grau des Horizonts hervor. Ein roter Schein läuft über die grauen Wasserflächen hin. Nun ist die Sonne unter, die Nebel steigen auf und wälzen sich von Westen her auf die Stadt und unsere Turmstelle zu. Noch sehen wir, wie aus dem nächsten Röhricht ein Volk Enten aufsteigt; aber ehe es in die nächste Lache niederfällt, ist das schwarze Geflatter in dem allgemeinen Grau verschwunden. Das Havelland träumt wieder von alter Zeit.“
Teil 4: Die Entdeckung der Heimat – Fontanes „Spreeland“
Dass Theodor Fontane die Mark Brandenburg zu Fuß erkundet hat, ist eine Legende. Meistens ist er für seine Wanderungen nämlich gefahren. Mit der Eisenbahn. Von Berlin aus konnte man inzwischen in die entlegensten Winkel – z. B. nach Jamlitz in der Lieberoser Heide. Dort steht diesmal Fontanes Schreibtisch, von dem aus Schauspieler Fabian Hinrichs in die Welt des märkischen Dichters und Romanciers einführt.
Den 4. Band seiner Wanderungen nannte Fontane „Spreeland“ – ein Begriff den er selbst erfunden hatte. Darin gesammelt viele Ausflüge zu Orten südöstlich von Berlin bis in den Spreewald. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist eine Zeit des radikalen Umbruchs, nicht nur des Alltagslebens – auch der politischen Zustände. Neue Gedankenwelten brechen mit alten Traditionen. Mitten im Brandenburger Land „explodiert“ die preußische Residenzstadt Berlin und wird „Weltstadt“. Die alten Bezüge geraten aus den Fugen, das Verhältnis von Mark und Metropole richtet sich neu aus – auf allen Ebenen.
Die Boomtown Berlin zieht abertausende Glückssuchende aus der Provinz an, sie verlassen ihre ländliche Welt und werden Proletarier. Und die ständig wachsende Hauptstadt muss versorgt werden – mit Lebensmitteln, mit Ziegelsteinen für die Mietskasernen, mit „dem ganzen öffentlichen Dienst“. Das Bürgertum fordert wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten und Teilhabe an der Macht. Auch der alteingesessene preußische Land- und Militäradel, der die politische Herrschaft noch in den Händen hält, muss sich neu ausrichten, in der Moderne ankommen oder im Dünkel verblassen. Zugleich vernetzen neue Techniken die Zentren mit weit entfernten Punkten auf der Landkarte – allen voran das neue Verkehrsmittel Eisenbahn, das Fontane für seine Unternehmungen begeistert nutzt. Fontane erlebt ein „Jahrhundert in Bewegung“.
Teil 4 der filmischen Wanderungen auf Fontanes Spuren führt u. a. in den Spreewald, wo Fontane schon damals über die Trachten der schönen Sorbinnen rätselte, und zu den Markgrafensteinen, von denen sich der Journalist aus Berlin zunächst enttäuscht zeigte … Mit dem 4. Band „Spreeland“ will Theodor Fontane sein Wander-Projekt eigentlich beenden. Aber: Seine Leser wollen mehr! Und Fontane hat die Schubladen voller Material. Geschichten von Junkern, Generälen und Gräfinnen, aber auch von den ganz einfachen Leuten: „Das Beste aber, dem du begegnen wirst, das werden die Menschen sein, vorausgesetzt, dass du dich darauf verstehst, das rechte Wort für den ‚gemeinen Mann‘ zu finden …“
Teil 5: Die Entdeckung der Heimat – Fontanes „Fünf Schlösser“
1888 erscheint der letzte Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Sein Titel: „Fünf Schlösser“. Theodor Fontane ist jetzt ein arrivierter Schriftsteller und Theaterkritiker. Ein Kollege im Berliner Tageblatt hat ihm ein eigenes Porträt gewidmet: „Theodor Fontane – der Sänger der Mark“. Das geht runter wie Öl.
Seit fast drei Jahrzehnten veröffentlicht Theodor Fontane seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, zunächst in Zeitungsartikeln, dann in Buchform. Bei seinen „Fünf Schlössern“ ändert er diesmal sein Konzept. Er stellt keinen märkischen Landstrich vor, sondern porträtiert fünf preußische Herrenhäuser, die aus seiner Sicht exemplarisch die Brandenburgisch-Preußische Geschichte aufzeigen können.
Diese „Fünf Schlösser“ haben im 20. Jahrhundert ganz unterschiedliche Schicksale erlebt: Schloss Liebenberg, zu DDR-Zeiten SED-Mustergut und nach der Wende samt Dorf zum Verkauf freigegeben, ist heute Sitz eine Bankstiftung und beliebtes Hochzeitshotel. Das Herrenhaus von Quitzöbel, am Zusammenfluss von Havel und Elbe, diente Fontane als Kulisse für die Beschreibung der Geschichte des Adelsgeschlechts der Quitzows. Heute liegt es im Dornröschenschlaf.
Auch das prächtige Barockensemble von Plaue bei Brandenburg an der Havel wartet auf Investoren, während Schloss Hoppenrade im Löwenberger Land durch glückliche Umstände in altem Glanz erstrahlt. Das Jagdschloss Dreilinden vor den Toren Berlins, das dem berühmten Grenzübergang zwischen Westberlin und der DDR seinen Namen gab, existiert nicht mehr. Fontane hat sie alle besucht und beschrieben. Ein bisschen stehen sie für sein Vermächtnis.
Für die letzte Folge der großen Reihe steht Fontanes Schreibtisch in den Ruinen der ehemaligen Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten. Kaum ein Ort kann anrührender die Melancholie spüren lassen, die von Fontane uns seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ausgeht.
200 Jahre Theodor Fontane – Die Entdeckung der Heimat
2 DVDs – 222 Min.
PolarFilm
Regie: Johannes Unger
Darsteller: Fabian Hinrichs
Ton: DD 2.0
PAL – RC 2