Le Fly „La Vie, Oder Was?“

Eine erste neue Meldung von Le Fly, Hamburgs derbsten Konzert-Zerlegern unter den zeitgenössischen deutschen Livebands, gab es bereits im Januar 2021 mit dem Titel „Walk of Fame“ – eine wichtige politische Standortbestimmung rund um die US-amerikanische Präsidentschaftswahl (und ebenfalls Teil des neuen Le Fly-Albums). Nun meldeten sie sich unlängst mit der schiebenden Social Media-Kritik Alessio“ krachend zurück. Schon diese ersten neuen Songs machen klar, dass Le Fly auch mit ihrem vierten Album „La Vie, Oder Was?“ Grenzen jedweder Art nur daher kennen, weil das etwas ist, das man unbedingt überwinden muss. Oder kennt sonst noch jemand eine zeitgenössische Band, die die fettesten Festival-Hymnen für nach dem achten Bier schreibt, dabei Rock, Rap, Ska und Reggae so souverän verlötet, als seien es eineiige Vierlinge, in den Lyrics selbstironisch die Gretchenfrage nach Segen und Fluch der sozialen Medien erörtert und das Ganze nach dem Sohn von DSDSSternschnuppe Pietro Lombardi benennt? Eben.

Und doch ist es kein Wunder. Und eine Überraschung schon mal gar nicht. Denn Le Fly sind ja streng genommen nicht nur Hamburger, sondern genauer: St. Paulianer. Kinder dieses Viertels, das Touristen vor allem für seine (zumindest einstmals) verruchten Seitengassen kennen. Dieses Stadtteils, dessen Biermarke nicht ohne Grund einen Anker und Herz als Firmenlogo hat. Dieses Kiezes, dessen letzter noch lebender (oder zumindest auch heute noch täglich präsenter) Pate aus der Goldenen Reeperbahn-Ära sich selber mit den Worten beschreibt: „Ich wollte immer die kleinste Nummer sein: die Nummer eins.“ Wer hier aufwächst, schnackt halt Klartext – aber immer mit diesem wunderbar feinsinnigen Grinsen im Mundwinkel, das besagt: Ja Mann, das Leben heutzutage ist ein Kampf, es gibt viel sinnentleerte Scheiße, die zu postmodernen Göttern hochgejazzt wird, oft fragt man sich, was das alles eigentlich soll und sucht vergeblich einen Sinn – aber das alles ist noch lange kein Grund, nicht trotzdem den Humor zu behalten und maximalen Spaß zu haben.

„Da, wo es klare Spielflächen für die Inhalte gibt, da gibt es auch mal einen klareren Kopf für eindeutige Zeilen“, so Rapper Schmiddlfinga. „Wir beschäftigen uns als Menschen ja auch mit Themen von gesellschaftlicher Relevanz, und da lag es nahe, auch mal Texte zu schreiben, die in ihrer gesellschaftlichen Relevanz stimmig sind.“ „Wir haben uns Themen gesucht, zu denen man einfach auch mal etwas sagen möchte und muss“, ergänzt Sänger Olli. „Das mag im Kontext von Le Fly erstmal ungewohnt wirken, weil wir ja doch vor allem dafür bekannt sind, Spaß zu bringen und Spaß zu haben. Aber für ein viertes Album kann man ja auch mal eine neue Herangehensweise suchen, und es kann eben genauso viel Spaß machen, mal über Phänomene wie Social Media, Politik oder Klimawandel so zu texten, dass der Spaß dabei nicht verloren geht.“ Klar kippt Le Fly legendärer Humor in solchen Fällen eher in die (auch: Selbst-)Ironie. Aber Spaß macht es eben trotzdem.

In Sachen „maximaler Spaß“ sind Le Fly sowieso das Kompetenzzentrum der Herzen – das wird ausnahmslos jeder bestätigen, der die Marschmaschine schon einmal live erlebt hat, ob im vor Schweiß dampfenden Club oder auf ihren zahllosen Festivalgigs (sie sind übrigens die einzige Band weltweit, die seit 2009 in JEDEM JAHR aufs Deichbrand Festival eingeladen wurden. Aus Gründen.). Wo Le Fly auftreten, kocht nach wenigen Minuten jede Hütte – dabei ist es völlig egal, welche Musik man normalerweise hört.

Tracks
1. Alessio
2. L’amour
3. Mutter Natur feat. Blue Voice Chorkids
4. Señorita Bam Bam feat. Russkaja
5. Caroline
6. Halblang
7. Knäuel
8. Tierisch gut drauf (Fun Fun Fun)
9. Dixi
10. Walk of Fame
11. Wüste aus Beton
12. Timbodirk feat. 257ers

Le Fly „La Vie, Oder Was?“
St. Pauli Tanzmusik