Ajay Mathur „Blow My Cover“

Manchmal im Leben ist es nötig, loszulassen. Die Sichtweise zu ändern, um sich selbst aus einer ganz anderen Perspektive völlig neu zu entdecken. Ajay Mathur hat dieses Selbstexperiment gewagt: Auf seinem neuen Album hat der Grammy-nominierte Sänger und Songwriter beschlossen, die Kontrolle abzugeben und seine Musik eng befreundeten oder von ihm bewunderten Künstlerkolleg:innen anzuvertrauen. Das ebenso beeindruckende wie auch überraschende Ergebnis ist nun auf „Blow My Cover“ zu hören!

Mit seinem eklektischen Signature-Style aus Pop, Rock, Americana, Country, Funk, Blues, asiatischen Traditionsinstrumenten und sogar Kammermusik, Electronica und Volksmusik hat sich Ajay Mathur in den letzten dreizehn Jahren den Ruf als einer der aufregendsten, experimentierfreudigsten und auf positive Art unberechenbarsten Solokünstler der Welt erspielt – ein Ausnahmestatus, der ihm von Fans und Medien wohlmeinende Vergleiche mit Legenden wie Jackson Browne, Bob Dylan, David Bowie, Tom Petty, Leonard Cohen oder den Beatles einbrachte. Nach vielfach ausgezeichneten Alben wie „A Matter Of Time“ (2011), „Come See Conquer“ (2013), dem Grammy-nominierten „9 To 3“ (2015) und „Little Boat“ (2018) legte der Wahl-Schweizer mit indischen Wurzeln im vergangenen Jahr mit „Talking Loud“ sein bisher erfolgreichstes Werk vor: So wurde der Longplayer in gleich vier Kategorien mit dem Deutschen Rock & Pop Preis geehrt, während die Single „I Don`t Want The Phone To Ring“ den 16. Platz der deutschen Apple Music-Charts enterte. Und auch weitere Outtakes wie „Common Mistake“, „Real“ oder „Stop The Shame“ konnten jede Menge internationaler Anerkennung generieren. Der Track „Anytime At All (Aftermath Of Silence)“ gewann bei den Akademia Music Awards in Los Angeles in der Kategorie „Best Pop-Rock Song“; Ajay selbst wurde kürzlich vom renommierten New Yorker The Artists Forum zum „Artist Of The Month“ erkoren.

„Wir alle mussten in den letzten Jahren lernen zu akzeptieren, dass es Situationen im Leben gibt, die außerhalb unserer Kontrolle liegen“, erklärt Ajay Mathur die Hintergründe zu seinem brandneuen Album. Mit „Blow My Cover“ schlägt der in der Nähe von Luzern beheimatete Musiker nun das nächste und vielleicht auch ungewöhnlichste Kapitel seines Schaffens auf. „In solchen Momenten können wir uns entweder zurückziehen und abwarten, oder wir können die Dinge aus einem neuen Licht betrachten und eine ungewöhnliche Situation zu unserem Vorteil nutzen.“ Also beschloss Ajay, seine Musik befreundeten oder von ihm bewunderten Künstler:innen anzuvertrauen und sie zu bitten, einen oder mehrere seiner Songs zu interpretieren. Kein vorgegebener Stil, kein festgelegter Zeitrahmen – die komplette kreative Freiheit. Und so vereint „Blow My Cover“ heute dreizehn Remakes aus sämtlichen Schaffensperioden des stilistischen Kosmopoliten, die von ausgewählten Roots-, Folk-, Jazz-, Klassik- und Rockmusiker:innen von Tokyo bis Los Angeles und von Chicago bis Buenos Aires performt und teilweise komplett neu interpretiert wurden.

„Die größte Überzeugungsarbeit hatte ich mir selbst gegenüber zu leisten“, lacht der Ausnahmemusiker. „Das eigene Werk aus der Hand zu geben, hat natürlich mit einem enormen Vertrauensvorschuss zu tun. Doch ich darf sagen, dass es am Ende kein einziges Remake gab, das mich nicht absolut begeistert hat! Nachdem ich die Instrumentalversionen wieder von den ausgewählten Künstler:innen zurückbekommen hatte, habe ich für alle Tracks neue Vocals aufgenommen und bei einigen Stücken noch ein paar letzte Edits hinzugefügt. Im Grunde entstanden auf diese Art völlig eigenständige Neukompositionen, von denen einige nicht mehr viel mit der Originalversion zu tun haben, sondern ganz neue Songs darstellen!“ Allen voran die Neubearbeitungen des etablierten Schweizer Roots-Musikers Richard Koechli, der seit nunmehr über dreißig Jahren zu Ajays treuen Wegbegleitern zählt und der insgesamt fünf aufs Wesentliche reduzierte und von seiner markanten Slide-Gitarre dominierte Coverversionen beigesteuert hat. Darunter der groovige Opener „Forget About Yesterday“ oder das Make-Over von „Oh Angel“, das sich von einem sanften Popsong mit indischen Einflüssen und Blues-Elementen in eine intime Akustik-Nummer verwandelt hat.

Der Schweizer Jazz-Gitarrist Samuel Mösching hat sich dagegen den Alternativ-Rock-Song „Little Boat“ vorgenommen, die der in Chicago lebende Multiinstrumentalist entschleunigt und mit seinen organischen Jazz-Phrasierungen auf eine kaum wiederzuerkennende Weise modifiziert hat. Mit „For A Friend Of Mine“ findet sich im Anschluss ein Cover eines raren Stücks aus dem Jahr 1995: Der letzte Song, der von Ajays ehemaliger Band Mainstreet nur auf eine Benefiz-CD für die Schweizerische Krebsliga veröffentlicht wurde, bevor er sie im selben Jahr auflöste. Der Schweizer Pianist Michael Dolmetsch hat diese hymnische Version neu eingespielt, während in L.A. lebende Stevie Blacke für die Partitur und das Streichorchester verantwortlich zeichnet. Noch weiter zurück in die Vergangenheit geht es mit „Pennies To Gold“, das ursprünglich von Ajays Debütalbum „A Matter Of Time“ stammt und von seinem Bandkollegen und Freund Christian Winiker zu einer jazzig-intimen Ballade umgeformt wurde. Ein weiteres Highlight stellt das von der japanischen Koto-Spielerin Asuka stammende Remake der indisch angehauchten Pop-Rock-Nummer „Ordinary Memory“ dar: Die Tochter eines der berühmtesten Musiker Japans verbindet auf wunderbare Weise den traditionellen Stil des Koto-Spiels mit ihrem eigenen, modernen Ausdruck, der auf die Klänge der New Yorker Cellistin Rachel Gawell und die donnernde Klangwand japanischer Taiko-Percussions von Ajays italienischem Bandkollegen Fausto Medici trifft.

Eine weitere Überraschung stellt die Neufassung von „Comedian“ dar, die von dem erst 18-jährigen Schwyzerörgeli-Zauberer Marvin Näpflin beigesteuert wurde, der das kammermusikalische Original mit seinem Akkordeon auf sehnsüchtige Weise für alle urban Bohemians interpretiert. Was lässt sich aus sechs verschiedenen Avantgarde-Percussion-Tracks bauen? Eine Frage, die Ajay gemeinsam mit seinem italienischen Bandkollegen Fausto Medici auf „My World (SOS To The Universe)“ beantwortet! Ajay entschied sich, eine apokalyptische Klanglandschaft zu erschaffen, indem er Ausschnitte aus seinem 2015 veröffentlichten Original verwendete und die die Slam-Poetry-Samples seiner Texterin Mary Lou von Wyl mit Schnipseln von Gitarren-, Bass- und Tablas-Tracks sowie dem Kinderchor aus der Originalversion mischte. Eine extrem zurückgelehnte Atmosphäre prägt das Remake von „Turn Around“, auf dem die Klänge der argentinischen Klassik-Harfenistin Mercedes Bralo mit TripHop-Beats und Mouthbox-Percussion zu einem Track verschmelzen, der in seiner Intensität auch auf einem Album von Massive Attack oder Portishead zu finden sein könnte. Nach der ersten Singleauskopplung aus „Blow My Cover“ – einer von Richard Koechli reduzierten Fassung von „Walking On The Water“ – überzeugt Jazzgitarrist Samuel Mösching mit einer genialen Interpretation des ehemaligen Brit-Rock-Songs „There We Are“, die sich in Bezug auf die Instrumentierung, die Struktur und die klangliche Essenz so sehr vom Original unterscheidet, dass man sie mit Recht als einen völlig neuen Song bezeichnen könnte.

Seinen krönenden Abschluss findet „Blow My Cover“ mit der balladesken Neuinterpretation von „All Your Thoughts“: Intim oder einschüchternd, göttlich oder diabolisch, die Wirkung des Liedes ändert sich augenblicklich, je nach der Stimmung des Zuhörers. Eine Gitarre, eine Stimme – Richard Koechlis klare Interpretation des zehnten Songs aus dem „Little Boat“-Album und Ajays tiefer, flüsternder Gesang, beschließen das Werk und lassen das Publikum in einer ganz besonderen Atmosphäre zurück. „Die Aufnahmen zu `Blow My Cover` fühlen sich rückblickend wie eine Befreiung an, was das musikalische Arbeiten angeht“, so Ajay abschließend. „Ich habe jede Menge Vertrauen und Selbstbestätigung gewonnen; etwas, was sich auch auf meinem nächsten Studioalbum widerspiegeln wird. Ich liebe die unendlichen Perspektiven, die sich seit der Pandemie ergeben haben und die es möglich machen, mit jedem/r Musiker:in an jedem Ort der Welt zusammenzuarbeiten.“

Auf „Blow My Cover“ hat Ajay Mathur erneut mit dem in Los Angeles ansässigen Grammy-Gewinner, Toningenieur und Mixer Austin Asvanonda zusammengearbeitet, um ein erstaunliches binaurales 3D-Sounderlebnis zu schaffen, das den Hörer ins Zentrum einer atemberaubenden, dreidimensionalen Klanglandschaft stellt und somit ein einzigartiges Gefühl der Intimität und der Klarheit erschafft.

Tracks
1 Forget about yesterday
2 Little boat
3 For a friend of mine
4 Pennies to gold
5 Oh angel
6 Ordinary memory
7 Comedian
8 My world (SOS to the universe)
9 All for you
10 Turn around
11 Walking on the water
12 There we are
13 All your thoughts

Ajay Mathur „Blow My Cover“
Yakketeeyak Music