Aline Frazão "Dentro de Chuva"

dentroMythische Regenbilder, mal tänzerische, mal balladeske Erinnerungen an Angolas Landschaften, ein Chanson, das zur Bossa mutiert, ein transatlantisches Cello und Naturschilderungen aus kapverdischer Feder: Das sind nur einige der Zutaten für Aline Frazãos Neuveröffentlichung „Dentro Da Chuva“. Auf ihrer vierten Scheibe zeichnet die Singer/Songwriterin prächtig schillernde Tonspuren auf den Atlantik.
Frazão wuchs in Angolas Hauptstadt Luanda auf, kam mit achtzehn zum Studium nach Lissabon, lebte danach lange Zeit in Spanien. Songs schrieb sie schon sehr früh, und in diesen ersten Kompositionen war sie von einem weiten stilistischen Spektrum beeinflusst: Bossa Nova gehörte dazu, Jazz genau wie die Musik der Kapverden. Der Bezug zu ihrer angolanischen Heimat und ihrer kreolischen Verwurzelung war stets zentral: Auf ihrem Debüt „Clave Bantu“ von 2011 erzählte sie von den Wechselwirkungen zwischen Afrika, Brasilien und Kuba, an das Debüt schloss sich die Scheibe „Movimento“ an, für die sie in ihrer Band kapverdische Musiker integrierte.
Danach entschloss sie sich, eine experimentierfreudige Phase einzulegen: Auf ihrer 2016 veröffentlichten CD „Insular“, ebenfalls auf Jazzhaus Records, nahm sie in der Abgeschiedenheit der schottischen Hebriden mit dem englischen Produzenten Gilles Perring einen Songzyklus auf, der einen melancholischen Indierock-Sound in den Mittelpunkt stellte. Mit Noise-Gitarre, Versen von Rap bis zu Einflüssen vom portugiesischen Nobelpreisträger José Saramago, Themen von Meeresromantik bis Tagespolitik erschuf Aline Frazão ihre eigene Inselwelt.
Für ihr viertes Werk navigiert die gerade 30 Jahre jung gewordene Musikerin, die seit einiger Zeit wieder in Angola lebt, in erneut rootsigen Gewässern. Verschwunden sind die Alternative-Experimente, vielmehr herrscht auf „Dentro Da Chuva“ (Inmitten des Regens) uneingeschränkt fließende, minimalistische Akustik. Es ist, als ob sie an das Finalstück von „Insular“, einen fröhlichen Tanz mit Lyrics in der Bantu-Sprache Kimbundu anknüpfen wolle: Seht und hört her, ich bin zurück aus der stürmischen Kühle Schottlands in den wärmeren Gefilden des Ozeans! Denn Aline Frazãos neuer Wurf feiert ein großes Flechtwerk von Kulturen, das drei Kontinente und das Inselreich zwischen ihnen umfasst.
Eingespielt wurden die elf akustischen Kleinode im brasilianischen Rio, am Pult stand mit Gabriel Muzak einer der aufregendsten Kreativen vom Zuckerhut zwischen Bossa, Rock und Funk. Von Rio aus stechen wir in See und gelangen in die afro-brasilianische Metropole Salvador da Bahia, hinüber nach Angola, nach Cabo Verde und bis nach Portugal. Eine entspannte Kreuzfahrt auf Alines kleinem Klangboot, eine Brise aus Klängen, luftig-leicht, doch immer mit poetischem Tiefgang. Zentral sind die fruchtigen Vocals und die akustische Gitarre der Singer/Songwriterin, um sie webt sie schwerelos Farben von einer Gastgitarre, einer Duettstimme, einem Cello, ab und an schenkt sie uns mit Trommeln und Kalimba tänzerische Tupfer, die der Schlagwerker Zero Telles aus den Händen schüttelt.
Der Anker wird auf dem kapverdischen Archipel gelichtet, wo der Komponist Danilo Lopes da Silva für seine angolanische „Schwester“ mit „Peit Ta Segura“ eine wunderbare Ballade über das Aufgehobensein in der Natur geliefert hat – Frazão singt diese Single in der Landessprache Criolu, Hommage an ihren kapverdischen Opa. Aus Bahia findet sich mit Luedji Luna eine junge Vertreterin der Música Popular Brasileira ein: In ihrem Duett „Kapiapia“ gießen die beiden Frauen die mythischen Bilder des angolanischen Dichters Ruy Duarte de Carvalho in Töne, Bilder von einem alten Mann, der halb Mensch, halb Gottheit, inmitten des Regens wohnt. Und dann, ganz überraschend Frazãos Adaption des Gainsbourg-Klassikers „Ces Petits Riens“: War er im Original schon karibisch angehaucht, inszeniert sie ihn in ihrer Fassung als sinnlich-traurige Bossa Nova.
Angolanische Fröhlichkeit verströmt „Sumaúma“, eine Widmung an all die Frauen, die den Unabhängigkeitskampf des Landes mitgetragen haben, und noch rhythmischer, körperlicher, mit den Farben des Daumenklaviers und einem perkussiven Geflecht wird es im „Manifesto“. Mit dem auf Cabo Verde wohnenden Gitarristen João Pires zelebriert sie ihren Körper als Meereskarte, streift kreuz und quer von Rio nach Sansibar, von Addis Abeba bis Luanda. Schließlich trifft sie am Strand vom Cabo Ledo auf den brasilianischen Cellostar Jacques Morelenbaum, und der malt transatlantisch die Schwermut eines unglücklichen Sommers.
Tracks
1 Peit Ta Segura
2 Kapiapia
3 Sumaúma
4 Zénite
5 Ces Petits Riens
6 Um Corpo Sobre o Mapa
7 Areal de Cabo Ledo
8 Manifesto
9 Chamado Por Morfeu
10 Fuga
11 Manazinha (Novo Dia)
Aline Frazão „Dentro de Chuva
Jazzhaus Records