Andreas Gabalier „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“
Was macht man als Performance-Powerhouse, wenn man nicht auftreten darf? Wenn man nicht wie ursprünglich geplant das erste Volks-Rock’n’Roll Festival der Welt in München abreißen darf und mit einer sensationellen Band diese legendär schweißtreibenden 3-Stunden Shows auf die Stadionbretter legen darf?
Richtig, man kehrt in sich, schreibt Songs und sucht nach möglichen neuen Stücken aus fremder Feder, die sich mit dem eigenen Repertoire gut verstehen und harmonieren. Andreas Gabalier kam bereits im vergangenen Winter die Idee zu einem Weihnachtsalbum. Sah das Jahr 2019 sein großes zehnjähriges Jubiläum, verlief 2020 natürlich anders als geplant, und auch sein großes Volks-Rock’n’Roll-Festival vor den Toren Münchens musste leider vertagt werden. Aber er wäre nicht Andreas Gabalier, würde er nur zuhause hocken und Däumchen drehen. Nein, das entspricht nicht seinem energiegeladenen Naturell. Jetzt legt er dieses Weihnachtsalbum vor und findet selbst natürlich die besten Worte um es zu beschreiben: es ist beschwingt, rockig, kernig & emotional.
Letzten Winter reiste er wieder einmal nach Nashville und New York um klassische amerikanische Christmas Tunes zu recherchieren und aufzunehmen, die in Berlin unter den vertrauten Händen und Ohren von Matze Roska (LeMatrix) den letzten Schliff erhielten. „Driving Home For Christmas“ läutet die Reise ein, und fängt mit seinem Country-Soul Charme den weihnachtlichen Geist dieses Albums ein: man beschließt die Hektik des Jahres und findet sich im Kreis der Familie ein um gemeinsam andächtig zu feiern. Das eigens komponierte „Es ist die Zeit“ unterstreicht den Volks-Rock’n’Roll Aspekt dieses ambitionierten Projekts und führt eindrucksvoll vor von welchem Kaliber Andreas Gabalier und seine Band sind. Es hält sich ungefähr die Waage zwischen traditionellen österreichischen und amerikanischen Stücken auf diesem Album. Es spannt einen ungefähren Bogen über rockige Stücke, bis es intim und privat anmutend ausklingt.
Seine beeindruckende Vocal-Range demonstriert Andreas Gabalier in „Swing Low Sweet Chariot“, welches als opulentes Gospelarrangement den feierlichen Charakter dieser besonderen Jahreszeit einfängt und im wahrsten Sinne des Wortes ein ‚match made in heaven‘ ist. Während viele Produktionen für die Weihnachtszeit im Hochsommer entstehen, ist es hier unüberhörbar, dass dieses Album tatsächlich in der Weihnachtszeit eingesungen wurde. Authentizität ist für Andreas Gabalier die oberste Priorität, auch wenn es darum geht Bing Crosby’s klassisches Crooning im Evergreen „White Christmas“ einzufangen, welches hier im BigBand-Gewand gekleidet eine außerordentlich gute Figur macht. Und auch eine tiefe Verneigung vor dem King darf nicht fehlen, „Blue Christmas“ zollt Elvis Presley respektvoll Tribut. Hätte es nicht den weihnachtlichen Text, wäre Status Quo’s „It’s Christmas Time“ ein lupenreiner Volks-Rock’n’Roller bei dem man Andreas vor dem inneren Auge mit seinem geweihten Mikrostativ wie ein Derwisch über die Stadionbühne fegen sieht. „Rocking Around The Christmas Tree“ legt sofort nach, auch in der stillen Jahreszeit kann Andreas das rocken nicht ganz lassen. Doch langsam wird es Zeit für die Bescherung und mit „Here Comes Santa Claus“ kehrt ein wenig Ruhe ein. Mit Lapsteel und Schlagzeugbesen hat es einen Honky Tonk Flavor und holt Nashville in die Steiermark, oder umgekehrt.
Eine Prise schelmischer Humor darf nicht fehlen, wenn man es schon jedes Jahr an jeder Ecke der Welt hört, dann darf auch Andreas Gabalier seine Version von Wham!’s „Last Christmas“ geben! Mit Klarinette und Sousaphon wird dieser 80s Klassiker heimelig eingekleidet. Als Duettpartner holt er sich seinen Freund Gregor Meyle ans Mikrofon. Seine unbändige Spiellaune lebt er in Chuck Berry’s „Run Rudolph Run“ voll aus, da liefern sich die Gitarren ein wahres Twangfest und unerwartete Breaks machen diesen Rock’n’Roll Standard zu einer Tour de Force hochwertigster Finesse. Danach braucht es erst einmal eine kleine Verschnaufpause. „Winter Wonderland“ läutet mit Schlaggitarre und Orchester die ‚Abendstunden‘ dieses Albums ein. Man wähnt sich beinahe im legendären Capitol Records Studio in Los Angeles, den heiligen Hallen der größten amerikanischen Swing Alben von Dean Martin bis Frank Sinatra. Mit Big Band, Orchester und Chor wird hier noch einmal deutlich wieviel Arbeit und Liebe zum Detail in diese Produktion gesteckt wurde. Andreas war es persönlich sehr wichtg im Studio nicht zu sparen und diese Produktion so pompös und groß wie möglich zu inszenieren, ganz so wie es diesen sorgsam ausgewählten Stücken zusteht.
Es wäre aber sicherlich kein „Volks-Rock’n’Roll Christmas“, hätte Andreas nur amerikanische Songs eingespielt. Auch wäre er nicht Andreas Gabalier wenn er nicht auch auf diesem Album sein seltenes Talent für die stillen, intimen Momente demonstrieren würde. Wer wie er alleine mit einer Gitarre ein ganzes Stadion zum andächtigen Schweigen bringen kann, das ist schlicht einzigartig und ein Spirit der seinen Weg ganz natürlich auch auf dieses Album fand. Viele Gesangsspuren entstanden auch abgeschieden in der Steiermark bei Murau. Wo sonst soll man Lieder singen über die Zeit in der es drinnen wirtlich wird und draußen bitterkalt? Man sieht förmlich den Kontrast der warmen Farben eines Kaminfeuers und der beschlagenen Fensterscheiben vorm inneren Auge. „Es wird scho gleich Dumpa“, ein Volkslied das sich bis ins 19te Jahrhundert zurückverfolgen lässt, reiht sich in dieses heimelige Bild passgenau ein, ein heimeliges Bild welches Andreas im Making-Of zu diesem feierlichen Album ausformuliert: mit seiner Volks-Rock’n’Roller Martin Gitarre sitzt er abends in der Stube bei Kerzenschein am Tisch und singt eben dieses Stück. „Is schon still uman See“ ist ein traditionelles Kärntnerlied das Andreas sicher schon in Kindertagen mit der Familie gesungen hat.
Auch auf „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“ kann man von Familie sprechen, Andreas bringt sie alle noch einmal zusammen für das überwiegend a capella gehaltene „Stille Nacht“, welches man in dieser Form so noch nicht gehört hat und den andächtigen Klimax dieses Albums bildet. Danach löst sich die Familienfeier langsam auf, die Kleinen gehen schlafen, die Erwachsenen sammeln sich am Kamin und verabschieden sich auch nach und nach in die Federn. Nur zwei der Jungs sind noch wach und spielen noch einmal auf. „‚S mag nicht hell werd’n“ ist ein intimes Duett zwischen Andreas‘ Stimme und einer wunderbaren Konzertgitarre, lediglich aufgelockert durch eine gelegentliche Ziehharmonika. So klingt dieses besondere Album behutsam aus, diese Stück ist zugleich intensiv und innig, aber auch andächtig und festlich und man fühlt sich wie am Ende einer schönen Geschichte die sich langsam dem Ende entgegen neigt.
„A Volks-Rock’n’Roll Christmas“ ist ein wirkliches Weihnachtsalbum, denn diese 15 Stücke wurden in eben dieser besonderen Jahreszeit zum Abschluß eines sensationellen Jahres in Andreas‘ Leben und Karriere, dem Jubiläumsjahr 2019, eingesungen. Dies hier ist the real deal, wie immer wenn man mit Andreas Gabalier zu tun hat, und dieses erste Weihnachtsalbum seiner Karriere reiht sich in diese Tradition ein.
Tracks
1 Driving Home For Christmas
2 Es ist die Zeit
3 Swing Low Sweet Chariot
4 White Christmas
5 Blue Christmas
6 It’s Christmas Time
7 Rocking Around The Christmas Tree
8 Here Comes Santa Claus
9 Last Christmas (feat. Gregor Meyle)
10 Run Rudolph Run
11 Winter Wonderland
12 Es wird scho glei dumpa
13 Is schon still uman See
14 Stille Nacht
15 ´s mag net hell werd’n
Andreas Gabalier „A Volks-Rock’n’Roll Christmas“
Electrola