Der Russland-Komplex

Die Deutschen und der Osten.

Seit dem Mittelalter hat der „Osten“ die Phantasie der Deutschen entzündet. Besonders das aufsteigende Russische Reich galt mal als natürliches Betätigungsfeld und entscheidender Rückhalt, mal als elementare Bedrohung. Ende des 19. Jahrhunderts und in der Epoche der beiden Weltkriege gewann dieser Russland-Komplex für Deutschland in seiner Auseinandersetzung mit dem Westen existenzielle Bedeutung.

Die bolschewistische Revolution mit deutscher Hilfe brachte zwar keine Wendung im Weltkrieg. Aber nach der Niederlage und angesichts des „Versailler Diktats“ schien eine „Ostorientierung“ vielen erst recht als die einzig verbliebene Option. Der Bolschewismus faszinierte keineswegs nur die politische Linke, sondern ebenso die politische Rechte. Und das sowjetische Russland war für viele mit Dostojewski besser als mit Marx zu verstehen. „Der lange Weg nach Westen“ (H.A. Winkler) führte jedenfalls nur über die Frustration aller diffusen Erwartungen an den „Osten“.

Hitler kehrte diese Tendenzen einer zeitgenössischen „Ostorientierung“ in radikaler Weise um. Nicht erst der Pakt mit Stalin 1939 zeigte allerdings, dass Antisemitismus, Antibolschewismus und Antislawismus eher eine widersprüchliche Mischung als eine geschlossene weltanschauliche Motivation bildeten. Eine Reihe historiographischer Streitfragen findet damit neue überraschende Antworten.

Autor
Gerd Koenen
wurde für «Der Russland-Komplex» mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Seine Geschichte des Kommunismus «Die Farbe Rot» war für mehrere Buchpreise nominiert. Er gilt als einer der besten Kenner der politischen Mentalität Russlands.

Der Russland-Komplex
Autor: Gerd Koenen
560 Seiten, mit 55 Abb., gebunden
C. H. Beck
Euro 34,00 (D)
ISBN 978-3-406-79951-8