Noah Rott „Rewind“
Zurückspulen, nur ein paar Sekunden lang. Die Musik nachhallen lassen, bis die Lieblingsstelle gefunden ist. Alles noch einmal Revue passieren lassen. Anhalten, um den Moment aufzusaugen und Ruhe zum Nachdenken zu finden. Rewind ist Noah Rotts ganz eigenes Mixtape, voller lyrischer und musikalischer Momente, die die Persönlichkeit des Pianisten ausmachen.
„Wie so viele habe ich es geliebt, eigene Mix-Kassetten zusammenzustellen“, sagt Noah, Jahrgang 1991. „Das Album versammelt Musik, die ich gerne höre. Es klingt nach dieser verrückten Großstadt, aber auch nach meiner Herkunft und meiner Verbindung zur Natur.”
Die Großstadt ist New York City – dort lebt und arbeitet der in Hamburg geborene Künstler seit drei Jahren. Hier nahm er auch im Mai 2019 sein Debüt auf – das Album eines internationalen „Klaviertrio plus“.
Zu Noah am Piano, sowie Almog Sharvit (Bass) und Jake Shandling (Drums), gesellt sich die kalifornische Sängerin Ambrose Getz. Sie schrieb die Texte zu Noahs Kompositionen, poetisch, bild- und rätselhaft. Ambrose‘ glasklare, eindringliche Stimme und ein oft wortloser Gesang schwebt über diesen sieben sensiblen Kompositionen, zuweilen gedoppelt von Noahs Piano. „Ich wollte ihre Stimme wie ein Blasinstrument verwenden“, so der Bandleader. „Das ist wie eine zusätzliche instrumentale Klangfarbe“.
Noah hat immer schon gesanglich orientierte Melodien komponiert. Seit seiner Kindheit ist der Hamburger, der sich selbst das Klavierspiel beibrachte und zunächst nach Gehör spielte, von Pop und elektronischer Musik geprägt. Später studierte er an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und wirkte dort als Produzent und Veranstalter von Kulturevents. Internationale Konzerttouren führten ihn nach Asien, Nord- und Mittelamerika.
2017 ermöglichte ihm ein Stipendium den Umzug in die USA. An der New York University erlangte er bei Jazzlegenden wie Peter Bernstein und Kevin Hays seinen Master-Abschluss. „Die Musik, die ich hier in New York gehört habe, ging mir sofort durch Mark und Bein“, sagt Noah, der sich in das Jazzleben der Metropole warf und sich mit den unterschiedlichsten Formationen ausprobierte. Ihm war schnell klar, dass sein Debüt keine hektische Bop-Angelegenheit sein würde. Minimalismus ist Trumpf auf Rewind – ein klarer, ruhiger Modern Jazz mit Folk-Elementen.
„Ich frage mich ständig: Ist diese Note in der Melodie wirklich notwendig? Kann ich es noch einfacher ausdrücken? Ich möchte nichts Überflüssiges in meinen Melodien.“ Die Grundfarbe des Albums ist: Melancholie. Und doch ist Rewind Groove-basiert, wie die satt abgemischte Rhythmusgruppe beweist.
„Was hat mich zu dem gemacht, der ich bin?“ ist die Frage, die Noah auf dem Album zu beantworten sucht. Da ist zum einen der Einfluss großer Singer/Songwriter wie Laura Mvula, Cecile McLorin Salvant, Sufjan Stevens und Björk. Und zum anderen die Lebensgeschichte des Komponisten selbst. Die Pianoballade „Sweden“ drückt eine Sehnsucht nach Natur und dem Land aus, das so viele Urlaube seiner Kindheit prägte. „Zoe“ ist Noahs jüngerer Schwester gewidmet, während sich das bemerkenswerte „Martha’s Dream“ mit seinen gestrichenen Kontrabass-Passagen und den von Ambrose quälend zerdehnt gesungenen Zeilen auf die verstorbene Urgroßmutter des Pianisten bezieht. „Bei unserem letzten Treffen rief sie mir noch vom Bett aus hinterher: ‚Es ist alles nur ein Traum, es ist alles nur ein Traum‘. Darüber denke ich heute noch nach.“
Rewind bietet keine einfachen Antworten. Es ist das Werk eines Suchenden. Nicht das donnernde Ausrufezeichen, das so manche mit ihrem Erstling zu setzen versuchen, sondern ein intimes, sanftes, nachdenkliches Album. Ein bemerkenswertes Debüt.
Tracks
1 Zoe
2 The Way Things Fall
3 Sweden
4 Rewind
5 Martha’s Dream
6 Left Hand Path
7 Love Poem
Noah Rott „Rewind“
Jazzlab