Roddy McKinnon „Time´s a dog“
Die Zeit wäre ein Hund, meint Singer Songwriter Roddy McKinnon. Auf dem Cover seines neuen, zweiten Albums „Time´s a dog“ sieht man ihn denn auch mit einem herumtollen. Aber ganz so fröhlich wie diese Szenerie vermuten läßt ist sie nicht. »Manchmal ist dieser Hund gut zu dir«, fügt McKinnon an, »aber er kann auch zubeißen«. Und das tat er. Zum Ende der Aufnahmen seines Debütalbums „Lucky & Damned“ in 2020 bohrten sich die Zähne des Tieres tief in sein Fleisch – Diagnose Krebs. Nach dem ersten Schock besorgte sich McKinnon Aufnahmeequipment, brachte sich Homerecording bei und fing an über das zu singen was ihm da passierte. Thematisch führte es ihn über »confinement«, dem Weggeschlossensein in ein Krankenzimmer und im Lockdown bis hin zur »recuperation and acceptance«, zu Erholung und Akzeptanz. Kunst als Medizin. »Die Krankheit nimmt, gibt dir aber auch Kraft und Dringlichkeit dein Bestes zu geben, keine Zeit zu verschwenden, die Zeit, die einem bleibt, zu nutzen, um etwas zu erschaffen.«
Für McKinnon war es eigentlich gerade gut gelaufen. Der gebürtige Glasgower hatte sich 2020 als Singer Songwriter neu erfunden, nachdem er als Gitarrist verschiedener Punkrockbands die 80er und 90er auf Touren durch Großbritannien und die USA verbracht hatte und in den letzten Jahren, nach einem Umzug an den Genfer See, als Sidekick von George Leitenberger in Erscheinung getreten war. Jetzt saß er endlich an einem eigenen Album, etwas das er schon immer hatte machen wollen. Aber just als diese Platte kurz vor der Fertigstellung stand, tauchte dieser ominöse Zeit-Hund im Studio auf, ungewohnt nervös und mit einem Blick, der nichts Gutes versprach. Plötzlich konkurrierten Bestrahlungstermine im Krankenhaus mit seiner Studiozeit, die in Aussicht gestellte Konfrontation mit dem Tod mit der Freude an der Arbeit an seinem Album, die Benommenheit mit der Konzentration. »An manche Gitarrenparts, die ich eingespielt habe, kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern«, schüttelt McKinnon den Kopf. »Es gibt Fotos aus dem Aufnahmestudio, auf denen ich eingenickt auf einem Stuhl zu sehen bin, neben mir eine Gitarre und drumherum die Mikrophone.« Und während die eigene Welt in sich zusammenfiel, tat es ihr die Außenwelt gleich.
Ein weiterer Köter kläffte Covid! Corona! Das Album „Lucky & Damned“ wurde noch fertiggestellt, erschien aber eher still und leise. Die elf Songs auf „Time´s a dog“ waren eigentlich als Selbsttherapie gedacht, ein Weg, um mit den eigenen Gefühlen umzugehen und die McKinnon nur von seiner Gitarre begleitet einsang. Doch sie entpuppten sich am Ende nicht einfach als Selbstgespräche, sondern als Lieder über das Leben, den Tod, die Liebe, Sex und Sünden. Klassisches Songwritermaterial in einem sehr intimen Rahmen, dem McKinnon zusammen mit Produzent Andreas Albrecht im Nachhinein nur noch einige wenige atmosphärische Akzente verleihen musste. »Nach der Reise durch dieses Album bin ich optimistischer geworden«, sagt McKinnon, »deswegen lächle ich auf dem Cover auch. Ich werde mir meine Zuversicht nicht nehmen lassen, auch wenn der schwarze Hund mich immer noch verfolgt. Ich werde schneller rennen!«
Roddy McKinnon wurde 1966 in Glasgow, Schottland geboren und lebt heute in Frankreich, in der Nähe des Genfer Sees. In den 80er und 90er Jahren war er Teil einer lebhaften Glasgower Rockszene und Gitarrist der Postpunk-Rockband Re-al. Mit ihnen reiste er durch England, Schottland, Irland und die Vereinigten Staaten. Höhepunkte dieser Jahre waren ein Auftritt im Marquee Club in London und ein Live-Auftritt in einer US-Fernsehshow, die in einem Nachtclub im 13. Stock des Times Square in New York gefilmt wurde (manchmal sind solche Details wichtig). Von 1986 bis 1992 wurde Re-al von der Londoner
Musikmanagementfirma Hit and Run Music verwaltet, deren Geschäftsführer Tony Smith war, dem Manager von Genesis und Phil Collins. Doch der erwartete kommerzielle Erfolg stellte sich nicht ein. McKinnon verließ die Band und spielte fortan Gitarre und Mandoline in einer keltischen Rockband und bei The Journeymen. Zur Jahrtausendwende trat die Musik dann in den Hintergrund. In dieser Zeit zog McKinnon in die Nähe des Genfer Sees und lernte dort den deutschen Singer Songwriter George Leitenberger kennen. Ab 2013 begleitete McKinnon ihn als Gitarrist und spielte auch auf dessen Alben. Ab 2017 kam seine eigene Karriere als Singer-Songwriter ins Rollen, zunächst mit ein paar Songs auf „Raw Love“, einem gemeinsamen Album mit Leitenberger. Im Jahr 2020 erschien sein erstes Soloalbum “Lucky & Damned”.
Roddy McKinnon „Time´s a dog“
Silberblick Musik