The Cranberries "In The End"
Während viele Bands krampfhaft nach einem zeitlosen Sound streben, der sich unbeeindruckt über die Launen des sich stets wandelnden Musikbusiness hinwegsetzt, sind The Cranberries einer der wenigen, die das tatsächlich geschafft haben. Ganz gleich, ob man „Linger“ oder „Dreams“ oder irgendeine andere der frühen Hymnen der irischen Rockgruppe spielt – sie klingen auch heute noch modern und überraschen mit einer ungeheuren Energie – ganz so, als hätten sie den Herzschlag der 90er Generation in sich eingeschlossen.
Die Entstehungsgeschichte von „In The End“ begann bereits im Mai 2017 als die Band auf Tournee war. Bis zum Winter 2017 hatten Noel und Dolores an den Demoversionen von insgesamt elf Songs gearbeitet, die heute auch auf dem Album zu hören sind. “Dolores’ Energie sprudelte förmlich über in Erwartung, diese Platte zu machen, die Songs herauszubringen und sie live zu spielen,” erinnert sich Noel.
Erneut von Stephen Street produziert, schließt sich mit der Veröffentlichung dieses Albums vollends der Kreis, kehren sie damit doch zu ihrem musikalischen Ursprung und allerersten Longplayer zurück. “Als wir uns gemeinsam mit Stephen die Demos anhörten, fiel uns sofort auf, dass der Sound viel näher an unserem ersten Album ist, als alles, was wir in der Zwischenzeit veröffentlicht hatten. Bei einigen Songs ist Dolores’ Gesang so einfühlsam wie in unserer Anfangszeit, aber auch die Einfachheit mancher Songs versetzte uns zurück in diese Zeit,” resümiert Noel.
Der bemerkenswerte Auftakt des Albums erinnert an die musikalische Bandbreite der Band. Das treibende „All Over Now“ ist eine klassische Cranberries-Hymne, bei der sich Dolores’Gesang über eine zerbrochene Beziehung den Gitarren im Hintergrund deutlich entgegenstellt, um ihnen ein wenig später wiederum zu folgen. Die eindringliche Streicher-Ballade „Lost“ nimmt ein wenig das Tempo heraus und macht Raum für Dolores’ sehnsuchtsvolle Stimme, die sich genau zu jenen Höhen aufschwingt, die unweigerlich die Seele berühren. Während man sich hingegen an anderer Stelle aus den Klauen des schlechtgelaunten „Wake Me When It’s Over“ windet und über das sanfte, ein wenig Country-angehauchte „A Place I Know“ bis hin zum fröhlichen Jangle-Pop-Song „The Pressure“ hangelt.
Sofern es überhaupt ein übergeordnetes Thema gibt, würde man wohl am ehesten sagen, dass das Album dafür steht, „reinen Tisch zu machen“ und Neuanfänge zu wagen – ganz so wie Dolores sich zuletzt sowohl in Bezug auf ihr persönliches wie auch kreatives Leben gefühlt hat: beflügelt und bereit für eine neue Phase. „Ich erinnere mich an ein Gespräch letzten Sommer – sie sagte ‚Ich fang’ jetzt noch mal von vorn an’ und es ist ja auch Thema vieler Songs auf dem Album“, schließt Noel. Aber die Lyrics bilden – wie immer bei den Cranberries – nicht nur persönliche Erfahrungen der Band ab, sondern lassen sich stets auch in ein universelles Gefühl übersetzen und werden somit zu etwas, mit dem wir uns alle identifizieren können – egal wie alt wir sind, welches Geschlecht oder welche Persönlichkeit wir haben.
Die überwältigenden Reaktionen der Öffentlichkeit auf Dolores’ Tod zeigen es ganz deutlich: Die Zeit der Cranberries als Band mag vielleicht vorüber sein, aber ihr musikalisches Vermächtnis wird für immer weiterbestehen.
Tracks
1 All Over Now
2 Lost
3 Wake Me When It’s Over
4 A Place I Know
5 Catch Me If You Can
6 Got It
7 Illusion
8 Crazy Heart
9 Summer Song
10 The Pressure
11 In the End
The Cranberries „In The End“
BMG