Yusuf / Cat Stevens „King of a Land“
In einer Zeit, in der die sich zuspitzende Klimakrise und Erdbebenkatastrophen, Kriege und neue globale Spannungen auf der Tagesordnung stehen, lädt Yusuf / Cat Stevens uns dazu ein, einmal tief durchzuatmen und neue Zuversicht zu schöpfen – neue Hoffnung auf eine Welt, in der zwischenzeitlich abhandengekommene Wahrheiten genauso ihren Platz haben wie schwere- und makellose Jugend, eine Welt, in der wir alle auf die eine oder andere Art schon mal gelebt oder getanzt haben. Seine Songs haben diese einzigartige Fähigkeit, uns automatisch zurück in eine Zeit zu versetzen, in der „… all things were tall, and our friends were small“, wie er an einer Stelle des Albums singt. Yusufs Musik soll keinen intellektuellen Diskurs anregen, sondern vor allem inspirieren: Man hört zu und taucht einfach ein in zutiefst menschliche Geschichten – in eine Welt, in der ein Happy End noch immer im Bereich des Möglichen liegt.
King of a Land ist das 17. Album von Yusuf / Cat Stevens. Es vereint 12 neue Kompositionen. Das Titelstück greift die Geschichte jenes kleinen Jungen (und dessen rothaarig-verspielter Katze) auf, der sich ausmalt, was er wohl alles Gutes tun würde, wenn er so ein König, so ein „King of a Land“ wäre, in dem alles so ist, wie’s sein sollte (seine Wortkreation dafür lautet „Woodbee“ – „wäre“). Kindliches Vertrauen und die dazugehörigen Träume werden plötzlich wieder greifbar, während wir zuhören und er uns mitnimmt auf diese Reise: Diese Stimme, diese Worte, diese unverwechselbaren Melodien ziehen einen sofort in ihren Bann und versetzen einen schon nach wenigen Takten vor die Pforten jener alternativen Welt, die so viel schöner wirkt als diejenige, in der wir momentan leben.
Knapp 60 Jahre sind inzwischen vergangen, seit der gerade mal 17-jährige „Cat“ die Popwelt mit Hits wie „Matthew and Son“ oder „I’m Gonna Get Me A Gun“ im Sturm erobern konnte. Auch unvergessene Klassiker wie „The First Cut Is The Deepest“ und „Here Comes My Baby“ stammen aus seiner Feder. Das alles begann in den Swinging Sixties, in denen Popstars kurz auf den Plan traten und zumeist gleich wieder von der Bildfläche verschwanden. Auch ein paar Solo-Singer/Songwriter-Größen wie Bob Dylan, Donovan, Joni Mitchell und Paul Simon waren damals schon aktiv, von denen einige bis heute erfolgreich sind. Und dann also trat dieser junge Cat Stevens auf den Plan – mit seinem ersten Studioalbum Matthew and Son, das beim ganz neuen und spannenden Decca-Sublabel Deram herauskam. Und natürlich war dieses erste Album keine Eintagsfliege, sondern der Auftakt eines unglaublich langen musikalischen Abenteuers, das tatsächlich bis zum heutigen Tag fortdauert. Diese Leidenschaft und dieser unstillbare Drang, immer neue Songs schreiben zu wollen, sie aufzunehmen, um die Menschen damit zu unterhalten – sie sind immer noch genauso da wie damals, kein bisschen weniger intensiv.
King of a Land ist ein episches Album, ein in vielfacher Hinsicht zeitloses Werk. Tatsächlich begann die Arbeit daran bereits vor über einem Jahrzehnt, denn die ersten Sessions fanden schon 2011 in den Berliner Hansa-Studios statt (jenes ikonische Studio in der Nähe des Mauerstreifens, wo schon David Bowie und U2 Meilensteine der Popgeschichte aufnehmen sollten). Weitere Stationen in den Jahren danach waren etwa die ICP Studios in Brüssel und La Fabrique in der Provence. Zusätzliche Overdubs und die Passagen eines 60-köpfigen Orchesters wurden schließlich in den Air and Angel Studios in London aufgenommen. Ein Teil der Fundamente entstand dabei schon in Yusufs eigenem Garagen-Heimstudio in Dubai, dem er den Namen „Dubville“ gegeben hat.
„Ausgangspunkt für die meisten Songs war tatsächlich meine Garage, wo ich alles eingespielt und aufgenommen habe“, so Yusuf, der die Unmittelbarkeit dieser Arbeitsweise schätzt: „Das ist wirklich ganz, ganz nah dran an dem, was in meinem Kopf passiert.“
Für die eigentlichen Aufnahmen zeichnete Yusufs angestammter Produzent bzw. (später auch) Co-Produzent Paul Samwell-Smith verantwortlich. Tatsächlich setzt Yusuf schon seit dem Mona Bone Jakon-Album von 1970 auf die Zusammenarbeit mit dem einstigen Bassisten der Yardbirds. Gemeinsam wählten sie auch die hochkarätigen Session-Musiker für die Aufnahmen aus – unter anderem den Bassisten Bruce Lynch (ebenfalls ein angestammter Gast: seit Buddha and the Chocolate Box von 1974), Keyboarder Peter Vettese (Jethro Tull, Bee Gees, Simple Minds) und Schlagzeuger Russ Kunkel (Joni Mitchell, Carol King, James Taylor, CSN&Y). Darüber hinaus war auch seine zweiköpfige Bandbegleitung – Kwame Yeboah und Eric Appapoulay – an den neuen Aufnahmen beteiligt.
„Paul ist einfach brillant“, sagt Yusuf über seinen Co-Producer, den er im selben Atemzug als „grandiosen Abstecker von Stilgrenzen“ beschreibt. „Er versteht mich einfach und weiß, wohin ich will. Er lässt mich dorthin gehen, und manchmal verfolgt er mich dann auch und fordert mich unterwegs heraus. Meistens jedoch analysiert Paul ganz genau, was ich vorhabe – und verschafft mir dann den nötigen Freiraum, um es auch zu tun.“
Von den vielen überraschenden Wendungen, die dieses Album nimmt, ist der grandios unerwartete Hardrock-Twist von „Pagan Run“ nur eine: „Ich nahm die Gitarre und entdeckte einfach so dieses Riff, und so war der Grundstein für diesen Song auch schon gelegt. Danach entwickelte sich alles von selbst. Der Text erzählt noch einmal die Stationen von diesem Rennen in Richtung Jenseits nach, das ich hinter mir habe“, holt er aus. Konkret gehe es darum, „wie kaputt ich früher war, wie ich die Rätsel des Lebens durchschauen wollte, was das alles bedeutet. Ich war echt wahnsinnig unwissend, extrem abergläubisch und hatte große Angst vor unsichtbaren Kräften – vor Dingen, die ganz plötzlich auftauchen und einen verletzen können, oder sogar noch Schlimmeres. Am Ende fand ich dann jene höhere Macht, die alles steuert.“
Seinen Glauben macht Yusuf auch auf dem neuen Album wiederholt zum Thema – etwa auf der zerbrechlichen Akustikballade „He Is True“, auf dem treibenden „Highness“, für das er Phil Spector-Vibes mit Gospel-Elementen zusammenbringt, oder auch für das atmosphärisch verzierte „Son Of Mary“, das eindrucksvoll die Geschichte von Jesus und Maria in prägnanten Zeilen auf den Punkt bringt.
„Der Song fasst sehr gut zusammen, was ich für eine der komplexesten Geschichten und Figuren halte, die man in der Geschichte der Religionen und der Spiritualität finden kann“, so Yusuf.
Mit der Geschichte von „The Boy Who Knew How To Climb Walls“ entführt er uns in das noch ungeteilte Palästina: Es geht um zwei enge Freunde, die gemeinsam aufwachsen, bevor der Krieg ausbricht – weshalb einer der beiden den anderen schließlich zu Grabe tragen muss. Schlusspunkt des ergreifenden Titels ist die Zeile „I can see him now floating on the air“, deren Wiederholung diesen Abschied noch eindringlicher macht.
Für das umwerfende Artwork des neuen Albums zeichnet erneut der preisgekrönte Kinderbuchillustrator Peter H. Reynolds verantwortlich, nachdem Yusuf und der Kanadier diese Kreativpartnerschaft schon 2021 mit dem erfolgreichen Bilderbuch Peace Train begonnen hatten (New York Times-Bestseller). Zusätzlich zum grandiosen Cover-Artwork hat Peter auch für jeden einzelnen Song eine Illustration fürs Booklet angefertigt, wo sie gleich neben den Texten abgedruckt sind. Nach dem Erfolg ihres Buchs wollte Yusuf für das King of a Land-Album unbedingt wieder mit Peter arbeiten …
„Ich habe Cartoons schon immer geliebt“, erzählt er, „und als ich dann Peters Style sah, war ich sofort hin und weg. Er hat die meisten der neuen Songs illustriert und dazu auch das Cover. Mit am besten gefällt mir die Illustration zu ‘How Good It Feels’: Da wird ein Kind ganz sanft von der Hand eines Riesen hochgehoben – ‘Ich weiß, wie es ist, wenn eine Hand von oben herabkommt und einen aufhebt vom Boden’“ Konkret sei dieses Bild von einer Kindheitserinnerung inspiriert, „wo ich gerade auf dem Jahrmarkt in Battersea herumlief und plötzlich meine Mutter aus den Augen verlor. Ich war ganz allein und musste weinen, bis sie auf einmal aus der Menge auftauchte und mich hochnahm.“
Tracks
1. Train on a Hill
2. King of a Land
3. Pagan Run
4. He is True
5. All Nights, All Days
6. Another Night in the Rain
7. Things.
8. Son of Mary
9. Highness
10. The Boy Who Knew How to Climb Walls
11. How Good it Feels
12. Take the World Apart
Yusuf / Cat Stevens „King of a Land“
BMG