Chris Jagger „Mixing up the Medicine“

„Mixing Up The Medicine“ stellt eine lockere, lebendige Sammlung von Jagger/ Hart-Originalen dar; manche in Zusammenarbeit mit einem seit 172 Jahren verstorbenen Dichter entstanden, der Rest mit seinem langjährigen musikalischen Flügelmann und Pianisten, Charlie Hart.

Gemeinsam arbeitete man intensiv aus einem Studio im Süden Londons nahe Charlie Harts Haus in Lewisham, in Jaggers Bauernhaus und auch online, wenn die Lockdown-Bestimmungen gerade nichts anderes zuließen. „So eng wie auf diesem Album haben wir noch nie zusammengearbeitet“, so Jagger.

Als Verstärkung berief man eine wahre Hitlist-Riege renommierter Musiker, die das Ihrige zu den Kompositionen beisteuerten. Namentlich sein alter Freund Olly Blanchflower am Doppelbass, Atcha-Bandkollege Dylan Howe an den Drums („ein extrem angesehener Jazz-Musiker, der auch Rock `N Roll mit Wilko Johnson spielt“) sowie der altgediente Producer-Veteran John Porter, der mit allem gearbeitet hat, was Rang und Namen hat: Angefangen bei The Smiths bis Roxy Music, Buddy Guy, BB King und Elvis Costelloe. Porter wiederum brachte den erfahrenen Gitarristen Neil Hubbard (Bryan Ferry, Joe Cocker) sowie ein paar von Harts Südlondoner Kumpels an den Bläsern mit ins Boot, Nick Payn und Frank Mead.

„Danach brachte ich noch John Etheridge mit rein – einen alten Bekannten, der irgendwann mal mit Soft Machine gespielt hat. Er hat ein paar Jazz-Gitarren beigesteuert. Außerdem kam noch Jody Linscott an den Percussions dazu, die ich seit den 70ern kenne. Größtenteils wurden die Tracks live im Studio mitgeschnitten. Damit kenne ich mich am besten aus. Außerdem ist das eine ganz einträchtige Beschäftigung.“ Eine Kategorie, in die man auch Bruder Mick als Backing-Sänger einsortieren könnte.

Für ihre Inspirationen schweiften Chris und Charlie buchstäblich in die Ferne:
„Charlie hat ein Herz für den Jazz, also haben wir zwei oder drei Tracks in diesem Stil aufgenommen. Dann entdeckte ich diesen seltsamen Dichter namens Thomas Beddoes“, so Chris über den im 19. Jahrhundert lebenden Autoren und Physiker. „Ich las ein Buch von Ezra Pound, der Beddoes erwähnte. Ich dachte, da Pound ihn erwähnt, sollte ich ihn auch mal nachschlagen. Ich beschäftigte mich mit seinem Buch `Death´s Jest Book`, in dem diese echt seltsamen Stücke zu finden sind. Er war ein Dichter aus Bristol; sein Vater war ein Bekannter von Shelley. Vielleicht schlug er deshalb nach diesen Dichtern der Romantik. Außerdem war er Alkoholiker und brachte sich 1949 in Basel um, indem er sich vergiftete. Er wurde nur 45 Jahre.“

„Ich nahm seine Verse und verarbeitete sie in der Musik“, so Chris weiter. „Ich dachte, er könnte als größtenteils verkannter und unbeachteter Dichter ein wenig Ruhm gebrauchen. Gerade von diesem Schlag gibt es ja genug…“ Und so finden sich seine Gedichte auf drei Songs wieder: Auf dem unwiderstehlichen, an Madness erinnernden Ska-Pop-Opener „Anyone Seen My Heart?“, dem Shanty-lastigen „Love´s Horn“ und dem Voodoo-Soul getriebenen „Wee Wee Tailor“. In Harts Jazz-Kategorie fallen dagegen „Talking To Myself“, das vom Vibe New Orleans` geschwängerte „Merry Go Round“ und der spätnächtliche Crooner „A Love Like This“. Nicht zu vergessen das tröstliche Blues-Lamento „Hey Brother“; eine berührende Ode an die lebenslange Verbindung zwischen Brüdern.

Eines jedoch verbindet alle Songs zu einer Einheit: Eine gewisse Unbehauenheit, eine Lockerheit und der Gemeinschaftssinn verschworener Kumpels, die zusammen jede Menge Spaß haben. „Sehen wir mal den Tatsachen ins Auge: Wir kommen so langsam ans Ende unserer Karrieren“, fasst Chris zusammen. „Man weiß nie, ob man gerade sein letztes Album macht. In Anbetracht dieser ganzen Musiker hatte ich das Gefühl, dass sie alle zeigen wollten, dass sie es noch drauf haben. Und dass sie viel engagierter sind, als wenn es sich um eine ganz normale Session gehandelt hätte. Alle waren mit Leib und Seele dabei.“

Das Ergebnis heißt „Mixing Up The Medicine“: Ein genussvolles, lebensverlängerndes Album eines in den unterschiedlichsten Musikstilen versierten Mannes, eingedampft auf zehn unverschnörkelte Stücke. „Irgendwann wurde mir klar, dass `mixing up the medicine` ebenfalls eine Zeile aus dem `Subterranean Homesick Blues`-Album ist“, so Jagger augenzwinkernd. „Hatte ich total vergessen. Aber ich bin eben ein großer Bob Dylan-Fan, also kann das wohl nichts Schlechtes sein, oder?“

Hier zu seiner Biografie

Tracks
1 Anyone Seen My Heart?
2 Merry Go Round
3 Love’s Around the Corner
4 Talking to Myself
5 Happy as a Lamb
6 A Love Like This
7 Loves‘ Horn
8 Wee Wee Tailor
9 Hey Brother
10 Too Many Cockerels

Chris Jagger „Mixing up the Medicine“
BMG