Fünf Wochen nach der Eröffnung bricht ein Kanal an einer Unterführung bei Lüneburg. Es gibt kein Sperrtor, das die Flut aufhalten könnte. Der Landkreis gibt Katastrophenalarm. 3000 Helfer retten, was zu retten ist. Am Ende stehen mehr als 1000 Hektar Land unter Wasser. Danach baut der Bund alles wieder auf, inklusive Unterführung und ohne zusätzliches Tor für den Notfall. Niemand wird zur Verantwortung gezogen. Aber so lief es ja von Anfang an.

Was passiert, wenn man ein dubioses Projekt in die bundesdeutsche Politik einspeist? Der Elbe-Seitenkanal war ein Testfall für ein politisches System, das gemeinhin als langweilig, aber grundsolide gilt.

Die alte Bundesrepublik entpuppte sich dabei als System der organisierten Verantwortungslosigkeit. Die Frage nach dem Sinn des Projekts löste sich in langen Verhandlungen immer mehr auf, und als sich das Debakel abzeichnete, war plötzlich niemand mehr verantwortlich – selbst dann nicht, als der Kanal fünf Wochen nach der Eröffnung eine Flutkatastrophe verursachte.

Die Geschichte des Elbe-Seitenkanals ist ein Menetekel für den bundesdeutschen Politikbetrieb und ähnelt scheiternden Bauvorhaben in der deutschen Gegenwart.

Autor
Frank Uekötter
ist Dozent für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Birmingham. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Umwelt- und Agrargeschichte, die Geschichte von Wissenschaft und Technik sowie die geisteswissenschaftliche Umweltforschung. Er schreibt regelmäßig über umweltpolitische Themen für Focus Online.

Der Deutsche Kanal

Autor: Frank Uekötter
330 Seiten, 5 s/w Abb., 21 s/w Fotos, gebunden
Franz Steiner Verlag
Euro 29,00 (D)
ISBN 978-3-515-12603-8