Elmar Theveßen über die US-Wahl und wie es weitergehen könnte
“Insgesamt wird es ein schwieriges Unterfangen, die Gemüter zu beruhigen”
Noch während die letzten Bundesstaaten zu Ende ausgezählt werden und der amtierende Präsident Donald Trump vor Gerichten versucht die Ergebnisse anzufechten informiert uns der Autor Elmar Theveßen über das, was jetzt passieren muss
Buch-Magazin: Was ändert sich jetzt durch die Wahl von Joe Biden? Wird er es schaffen, die USA wieder zu vereinen?
Elmar Theveßen: Wenn Joe Biden der neue Präsident wird, muss er den Unterstützern von Donald Trump – und das sind ja mehr als 70 Millionen Menschen – die Angst nehmen, dass sich das Land jetzt in Richtung Sozialismus entwickeln wird. Das wird nicht einfach. Deshalb kommt es darauf an, dass er in seiner Rhetorik persöhnliche Töne anschlägt und Gesprächsangebote an die Republikaner macht. Insgesamt werden ihn die Menschen aber an seinen Taten messen.
Insofern ist es recht wahrscheinlich, dass er das ein oder andere Ministeramt in seiner Regierung Politikern aus dem moderateren Flügel der republikanischen Partei anbieten wird. Insgesamt wird es ein schwieriges Unterfangen, die Gemüter zu beruhigen und alle zu überzeugen, dass er ein Präsident für alle Amerikaner sein wird.
Was kann Trump jetzt noch versuchen um doch noch an der Macht zu bleiben?
Donald Trump ist dabei, mit einer Armee von Anwälten die Wahlergebnisse in wichtigen Bundesstaaten wie Michigan und
Pennsylvania anzuzweifeln und anzufechten. Gleichzeitig könnte er seine Anhänger zu großen Demonstrationen aufrufen. Es würde sicher auch heftige Proteste der anderen Seite geben, so dass gewalttätige Auseinandersetzungen nicht auszuschließen sind. Das Land stürzt dann in eine Verfassungskrise, in deren Verlauf republikanisch dominierte Bundesstaaten wie Wisconsin und Pennsylvania Wahlmänner für Trump nominieren könnten, auch wenn Joe Biden dort die Wahl gewonnen hätte. Am Ende würde über das Wahlergebnis vor Gericht oder in politischen Verhandlungen zwischen den Parteien entschieden.
Was hat Trumps Regentschaft für immer zerstört?
Den bisher unerschütterlichen Glauben daran, dass ein Abgleiten der amerikanischen Demokratie in ein autoritäres, sogar faschistisches Regime unmöglich ist.
Sind die USA nach Trump noch ein verlässlicher Partner?
Vertrauen entsteht nicht durch Strukturen, sondern vor allem durch Menschen, und es wächst nur mit der Zeit. Ein Präsident Joe Biden und eine Vizepräsidentin Kamala Harris könnten Amerika wieder zu einem verlässlichen Partner machen. Aber sie müssten alle schönen Worte durch Taten beweisen.
Warum merken Trumps Anhänger nicht, dass er ihre Situation nicht verbessert?
Weil sie allen anderen Informationsquellen als Trump und den rechtskonservativen Medien nicht vertrauen. Deshalb sind sie fest davon überzeugt, dass nicht Trump die Schuld am Stillstand oder Rückschlag trägt, sondern die angeblich radikalen Demokraten und die vermeintlich linken Medien. Sie glauben, dass ihr Präsident eine zweite Amtszeit braucht, um seine Versprechen einzulösen.
Was sind Ihrer Meinung nach die ersten Schritte von Joe Biden als Präsident, für den Fall das er letztendlich bestätigt wird? Was wird er als erstes rückgängig machen?
Ein Präsident Joe Biden würde sehr schnell einen Plan zur Eingrenzung der Coronapandemie inkl. eines staatlichen Hilfspakets umsetzen, den Wiedereintritt in das Pariser Abkommen zum Klimaschutz erklären, die trumpschen Steuersenkungen für Reiche rückgängig machen und ein großes Infrastrukturprojekt angehen, um die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln.
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