Greta Schloch „Wir sind frei“

Alter von Greta Schloch ist vermutlich der letzte große Novelty- Underground-Hit des zwanzigsten Jahrhunderts. Gerade rechtzeitig, als die letzten D.I.Y./LoFi-Purist:innen ihre Vierspur-Rekorder gegen Computer eingetauscht hatten, macht die Lübecker Künstlerin noch einmal den entscheidenden Punkt, um wieviel mehr die Idee und der richtige Moment die Qualität eines guten Songs definieren als etwa zeitgenössische Klangstandards oder instrumentale Virtuositäten. Obwohl wahrscheinlich nicht selten vorschnell als schräger Humor wegsortiert, ist der Song bis heute allerdings keinen Tag gealtert.

Auf dem berühmten Plattenmeister-Label folgt im Jahr 2000 ihr erstes Album Jack the Jochen, das nächste überzeugende Argument für Homerecording und Spontanität; experimentell, verspielt und rasant in den Perspektiven, tauchen zwischen Kurzhörspielen und Songfragmenten immer wieder raffiniert arrangierte Pop-Melodien auf. Falter wird ein kleiner Folge-Hit, mit und für Fred Adrett singt sie 2001 Keine Fraun Kein Geschrei.Musikalisch macht sich die diplomierte Grafik-Designerin in den folgenden Jahren jedoch rar, widmet sich Spoken Word-Performances, experimentellen Videos, dreht um die sechzig Piddy Jansen-Clips und schreibt ein Spielfilm-Drehbuch, das derzeit noch durch den Irrgarten der hiesigen Filmindustrie wandert.

Nach einem gemeinsamen Projekt mit der Band Goldmother bekommt sie schließlich und endlich Lust, sich wieder verstärkt der Musik zu widmen, neue Songs zu schreiben und aufzunehmen. Dass nun das junge Berliner Label Crocodile Tears ihr drittes Album Wir sind Frei veröffentlicht, ist tatsächlich ein Grund zu großer Freude.

Die Motivation ist noch immer der Spaß am Spiel mit Worten; Geschichten und Situationen aus dem Alltag, wie eine eigenwillige, trotzig optimistische Sicht auf die Welt. Der schöne Quatsch gehört nach wie vor untrennbar dazu, jedoch konzentriert sich Greta Schloch auf Wir sind frei mehr als zuvor auf ihr zweites großes Talent, wirklich gute Songs schreiben zu können. Die Arrangements sind sorgfältiger, der Klang deutlich besser und runder geworden, ohne dass der Heimstudio-Charme verloren gegangen wäre.

Musikalisch gehen wir auf eine wilde Reise durch die Jahrzehnte und Stile, Barock-und Psychedelic-Pop-Klänge transformieren zu New Wave, Glam Rock, Exotica und Folk House…, wie fließende Assoziationen, die sich fröhlich um die Songtexte legen.

Der hochgeschätzte Trash-Faktor des Frühwerks hat mittlerweile feinere, subtilere Strukturen gefunden; der Stacheldraht ist noch da, aber der Fokus geht in die Welt drumrum. Greta Schloch ist wieder da, hat ein paar wirklich schöne Songs geschrieben und selbst bei der Auswahl der Gastsänger-und Gitarristen die richtige Wahl getroffen, meine Empfehlung für den Start in jeden Tag.


Greta Schloch „Wir sind frei“

Crocodile Tears Records