Heiner Schmitz „Heimatstücke“

Ein Saxofon, das versonnen in die Vergangenheit zurückblickt. Sonst nichts. Zumindest für den Augenblick. Dann ein Klavier, das wir eine Fahrspur die Richtung vorgibt, bevor die ganze Band einsteigt und diese Reise zu einem kollektiven Ausflug zum Horizont des imaginierten Anfangs macht. „Blaue Datsche“ ist der Opener zu einem Album, das mit dem Titel „Heimatstücke“ sagt, worum es geht. Der Kölner Saxofonist und Komponist Heiner Schmitz hat sich in jüngerer Zeit eher mit komplexeren Alben einen Namen gemacht. Auf „Heimatstücke“ versucht er mit ganz einfachen Mitteln, in einem Ozean der Orientierungslosigkeit Terrain zu gewinnen und kraft der Erinnerung zu sich selbst und seinen Ursprüngen zu finden. Das Album besteht aus elf wunderbar angstbefreiten Rückgriffen auf die eigene Kindheit und Jugend sowie Vorgriffen auf die nähere Zukunft.

Mit einer faszinierend beiläufigen Verbindlichkeit, lässt Schmitz die Songs einfach so passieren, als wären sie ganz von selbst entstanden. Seine Heimatstücke sind direkt unmittelbar seinem Innenleben abgelauscht. Sie klingen wie Jazz, funktionieren wie Lieder und sind letztlich nur sie selbst. „Ja, die Stücke sind mir einfach passiert“, bestätigt er. „Ich habe sie mit keinerlei Absicht geschrieben. Einige waren schon da, andere sind dazugekommen, und ich dachte mir, ich könne sie unter dem Titel ‚Heimatstücke’ zusammenfassen.“

Ein Album in der heutigen Zeit „Heimatstücke“ zu nennen, beweist Mut. Es geht dabei aber nicht um die heimatliche Scholle und auch sonst keinen ideologisch, national oder auch nur topografisch definierten Heimatbegriff. Heiner Schmitz begibt viel mehr auf eine Suche nach der verlorenen Zeit, wie sie am besten von Marcel Proust beschrieben wurde. Natürlich mutet dieser Albumtitel provokant an, und gegen Falschauslegungen ist er natürlich nicht gefeit. Dabei ist dieses Motto ist das genaue Gegenteil einer Provokation. Er beschreibt viel mehr jene in uns allen wohnende Sehnsucht, die ebenso gedankenverlorene wie zeitvergessene Unbeschwertheit der Kindheit zu rekapitulieren und uns an diesen niemals wiederkehrenden Ort zurückzubegeben. Heimat! Auf Schmitz’ Album kommen Namen und Begegnungen vor, Erinnerungen und Einordnungen.

Es gibt aber noch eine andere Art von Songs. Neben den Titeln über die Illusion kindlicher Glückseligkeit gibt es auch Tracks, in denen Sorge um die Zukunft zum Ausdruck kommt. Sie tragen Titel wie „Zeitenwende“ oder „Tatendurst“. Heiner Schmitz weiß, dass wir nicht in die Vergangenheit zurückkehren können. Letztlich zählt nur, was vor ihm liegt. Aber er träumt nicht nur von der Zukunft, sondern übernimmt Verantwortung. Von diesem Dualismus ist das Album geprägt.

Tracks
1 Blaue Datsche
2 Adolestanz
3 Zeitenwende
4 Traumwanderung
5 Tatendurst
6 Ferien bei Oma
7 Sonnabend
8 Noahs Tag
9 Marli macht Launen
10 Pilzernte
11 Für Sabine

Heiner Schmitz „Heimatstücke“
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