Karin Rabhansl „Rodeo“

Wir dürfen uns Karin Rabhansl als einen glücklichen Menschen vorstellen. Beschwingt dreht die Sängerin aus dem Bayerischen Wald auf ihrem neuen, fünften Studioalbum „Rodeo“ die Gitarren laut. Der Rabe fliegt wieder – doch diesmal will er dorthin, wo er noch nie war.

Auf „Rodeo“ verschiebt Karin Rabhansl munter ihre eigenen Parameter. Die neugewonnene musikalische Härte steht ihr gut. Die Niederbayerin mit den bunten Ringelstrümpfen (trotziges Markenzeichen!) zitiert geschickt Rockhelden wie Led Zeppelin, Kyuss und Weezer und frönt ihrer tiefen Liebe zu Radiohead, Sigur Rós und PJ Harvey. In den 13 Liedern auf „Rodeo“ geht es um den Ritt des Lebens – mal gemächlich, mal Parforce; mal fühlt man sich sicher und macht schön Strecke und dann gibt es wieder Phasen, in denen man sich gut festhalten muss, um nicht abgeworfen zu werden.

Inhaltlich bleibt Karin Rabhansl auch auf „Rodeo“ den schrägen, gerne ein wenig abseitigen Geschichten verhaftet. Wir erleben getriebene Helden, gebrochene Biographien, vermeintlich alltägliche Situationen, in denen die Stimmung blitzschnell ins Unangenehme kippt. Doch hier kommt die gute Nachricht: Trotz zum Teil deftiger Inhalte klingt „Rodeo“ merklich heller und positiver als das letzte Studioalbum „Tod & Teufel“ (2018). Ein Widerspruch? Nicht zwingend. Schwere Themen leicht verhandelt, das ist wahrlich eine Kunst für sich …

Karin Rabhansl erzählt ihre dunkelbunten Geschichten und Milieustudien nicht mehr nur in der ersten Person, sondern aus der neutralen Position der Beobachterin und Chronistin heraus. Bemerkenswert in befindlichkeitsfixierten Zeiten wie diesen ist dabei ein Detail: In den Texten wird genau beobachtet, aber wenig bewertet und vor allem nicht gejammert.

Da ist der in die Jahre gekommene Cowboy, der nochmal aufs Rodeopferd steigt – weil er muss oder nicht anders kann. Da ist die junge Frau, für die scheinbar alles passt im Leben. Es geht um Manipulation und Energiediebe, um Blender und Paranoia, um das ewige Thema Schuld & Vergebung und einmal mehr um finstere Sagengestalten aus Rabhansls niederbayerischer Heimat Niederbayern.So unterschiedlich die Protagonisten in Karin Rabhansls Liedern auch sein mögen, einen roten Faden gibt es: Alle versuchen irgendwie, ihr Schicksal zu meistern. Fehler werden gemacht und bestraft, oft erlebt man sich fremdbestimmt in der Sackgasse – und findet trotzdem einen Ausweg, trotzt dem Leben eine Lösung ab.

Ganz eigentlich geht es auf „Rodeo“ ums Durchhalten. Ums Klarkommen. Und darum, seinen ganzen Mut zusammenzupacken und das Heft in die Hand zu nehmen, wenn es sich nicht mehr ausgeht. Weil zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Über Rabhansls Geschichten schwebt stumm die Erkenntnis, dass dieses Leben kein leichtes ist und noch nie war. Und dass die Welt kein per se guter oder schlechter, sondern oft einfach nur ein heikler Ort ist – seltsam und schön und zugleich doch immer voller Falltüren und Untiefen. Diese Botschaft wird auf „Rodeo“ mit einem Lächeln serviert – etwa bei „Anett“, einer vordergründigen Partynummer mit fettem Gebläse, in der die Protagonistin in einer Pilskneipe plötzlich von gänzlich unerwarteter Seite aus angegangen wird. Trotz der fröhlichen Grundierung ist die Aussage dieses Songs klar und nicht verhandelbar: „Nein heißt nein!“

Aufgenommen wurde „Rodeo“ erneut mit Produzent Sven Peks (Flo Mega, Turbonegro) und der aktuellen Karin Rabhansl Band: Gitarrist Joschi Joachimsthaler, Keyboarderin Julia Fischer, Schlagzeuger Simon Weber und der Bandchefin an Gesang, Bass und Akustikgitarre. Das Coverartwork zeigt einen Ausschnitt aus dem Linolschnitt „Spring oder lass es sein“ des Nürnberger Bildhauers Christian Rösner (2008).

Tracks
1 Rodeo
2 Gute Zeit
3 Amor
4 Anett
5 Schaufema
6 Baby, lauf
7 12 Joa
8 Er oder I
9 Misty
10 Real
11 Gold’ne Stund‘
12 Vampyr
13 Berg

Karin Rabhansl „Rodeo“
Donnerwetter