Atelier Strand – 5. Etage. Jef fuhr mit einem alten Industriefahrstuhl hinauf und fror in dem Metallkäfig schon bei der Vorstellung, sich gleich ausziehen zu müssen. Das Atelier war groß, weiß, leer, aber gut geheizt. Manchmal blitzte seine Kompaktkamera, was eine schreckliche Hautfarbe ergeben würde. Sie sagte nichts. Es war egal. Offenbar sah Strand etwas anderes.

Der Alte war fast blind, stützte sich mit der freien Hand auf seinen Stock, konnte die Symbole auf seiner Knipse nicht erkennen und fragte seinen Assistenten, ob das die Automatikeinstellung sei. Vielleicht sah er Jef gar nicht als Mensch aus Fleisch und Blut, sondern als verschwommene Zeichnung aus Tusche und Wasser oder als eine Art Skulptur, dachte Jef. Was Künstler eben so wahrnehmen. „Leg dich mal hin“, sagte Strand mit knarrender Stimme.

Im Gegensatz zu den Abenden in der Kunstschule, an denen er ständig geredet hatte, sprach er im Atelier wenig. „Wie denn? fragte Jef. „Seilartig“, sagte Strand, „so als hätte dich jemand fallen gelassen.“

Autorin
Franziska Hauser
, geboren 1975 in Pankow/Ostberlin, hat zwei Kinder. Sie studierte Fotografie an der Ostkreuzschule bei Arno Fischer und ist Autorin. Ihr Debütroman „Sommerdreieck“ erhielt den Debütantenpreis der lit.“Cologne“ und stand auf der Shortlist des aspekte-Literaturpreises. Ihr zweiter Roman 2Die Gewitterschwimmerin war für den Deutschen Buchpreis nominiert.“

Keine von ihnen
Autorin: Franziska Hauser
304 Seiten, gebunden
Eichborn Verlag
Euro 23,00 (D)
ISBN 978-3-8479-0112-9