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Minck „Einsame Inseln“

Pop, Indie, Mainstream, Avantgarde, Kunst, Kommerz. In Deutschland, wo seit jeher zwischen E- und U-Kultur unterschieden wird, müssen Künstler sich festlegen: Welches Segment soll bedient werden? Und wer ist überhaupt die Zielgruppe? Zeitungsfeuilletonisten – oder doch eher die Fernsehzuschauer von PRO7? Die musikalische Laufbahn von Oliver Minck ist jedenfalls davon geprägt, diese Fragen seit jeher offengelassen zu haben. Und zu behaupten, er sei mit dieser Strategie auf die Erfolgsspur geraten, wäre glatt gelogen. Eine kleine Gemeinde eingeweihter Connaisseure labt sich zwar noch heute an den vier zwischen 2005 und 2012 veröffentlichten Alben seines minimalistischen Pianopop-Duos WOLKE, und auch als Sänger und Songwriter der aus Wolke hervorgegangenen Rockformation DIE SONNE flog ihm so manches Herz zu – eine stabile Karriere ließ sich zwischen den Stühlen aber nicht errichten. Zu viel Ambivalenz, zu viel Gebrochenheit, zu viel Subversion – und eben zu wenig Eindeutigkeit und Eins-zu-eins. Schlecht für den Kontostand des Musikers, gut für seine Kunst. Denn hier ist Saturiertheit Fehlanzeige – der Alltag bleibt ein Struggle und die Verteidigung der eigenen Musikerexistenz gleicht dem vielzitierten Kampf gegen die Windmühlen.

Dass Oliver Minck sich die Lizenz zum, nun ja, Flöten von den dunklen Mächten der Ignoranz jedoch nicht entziehen lässt, beweist er mit seinem im Frühjahr erscheinenden Solo-Album »EINSAME INSELN«. Schon 2009 hatte es mit der »OLIVER MINCK ERFAHRUNG« einen ersten Alleingang gegeben, doch das unter dem Nachnamen MINCK veröffentlichte neue Werk markiert nun den Schritt in die längerfristige Selbstständigkeit. Alle Songs wurden zunächst einmal in Heimarbeit mithilfe analoger und elektronischer Instrumente skizziert, erst dann wurden sie im Studio des Produzenten und Die-Sonne-Gitarristen Boris Rogowski noch einmal auf Herz und Nieren geprüft, frisiert und veredelt. »Ich werd mich niemals ändern«, singt Oliver Minck in einer Art Empowerment-Hymne, einem »My Way« für Loser – und hiermit ist die Agenda auch schon auf den Punkt gebracht: Noch immer unterwandert er die Gefälligkeit, kontert leichtfüßigen Pop mit beißender Melancholie und dunklem Humor, lässt der Freude ihren Raum, aber eben auch dem Leid. Und wen das alles überfordert, dem ist leider nicht zu helfen.

Die erste Single »Heute« ist dann auch ein Paradebeispiel für die MINCK‘sche Weltanschauung: eine Mischung aus flockigen Gitarren und groovenden Elektrobeats, gekrönt von einer geradezu unverschämt eingängigen Melodie. Gute Laune galore. Eigentlich – denn trotz aller Euphorie ist der Abgrund natürlich nicht fern: »Morgen ist Krieg, aber nicht heute, heute haben wir uns lieb.« Auf »EINSAME INSELN« werden die Extreme ausgelotet: Ein Song wie »Echt« bietet düstere Entfremdung ohne doppelten Boden, »Sommer für immer« arbeitet mit einer Text-/Musik-Schere – während die Lyrics auf geradezu naive Weise das Paradies heraufbeschwören, evoziert die musikalische Untermalung das schleichende Gefühl, dass an der Sache doch etwas faul sein muss. Oder doch nicht?

Pressetexte dienen gemeinhin der Werbung und nicht der Abschreckung. Trotzdem sei hiermit gewarnt: Trotz seiner vermeintlichen Zugänglichkeit ist »EINSAME INSELN« keine leichte Sache. Man muss gewillt sein, sich auf unsicheres Terrain zu begeben, auf eine klare Deutung, geschweige denn Positionierung auch mal zu verzichten und die Dinge offen zu lassen. Freiwillige vor! (Text von Kurt M. Richter)

Tracks
1 Am Ziel
2 Heute
3 Lange nicht gesehen
4 Echt
5 Hit
6 Wie es scheint
7 Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt
8 Endlich Raucher
9 Ich werd mich niemals ändern
10 Sommer für immer
11 Herzschlag

Minck „Einsame Inseln“
Bauturm