Robin McKelle „Impressions of Ella“

Von Country zu Rhythm & Blues – Robin McKelle hat ihre gesamte Karriere darauf aufgebaut, den unermesslichen Reichtum US-amerikanischer Musik zu erkunden.

Mit Impressions of Ella kehrt die Sängerin zu ihren Wurzeln im Traditional Jazz zurück – und fühlt sich darin gleich wieder zu Hause. „Ein Teil von mir wollte zuletzt nicht allzu viele Songs schreiben“, erinnert sich die routinierte Künstlerin, „und ich habe auch nicht wirklich viel gesungen. Dabei habe ich es sehr vermisst zu performen! Als ich darüber nachzudenken begann, was ich als nächstes tun möchte, hatte ich dieses Gefühl, das mich schon die ganze Pandemie hindurch begleitet hat: dieses Gefühl von Nostalgie und Sehnsucht nach etwas, das sich anfühlt wie ein Zuhause. Ich hatte das Gefühl, es sei der richtige Moment, die Spur zu wechseln und zum traditionellen Swing und überhaupt all dem zurückzukehren, das mir geholfen hat, meine Karriere zu starten.“

Damals erforschte das Debüt Introducing Robin McKelle von 2006 ein Dutzend zeitloser Standards der Swing-Ära wie „Come Rain or Come Shine“, „Night and Day“ oder „On the Sunny Side of the Street“. Ihr neuestes Projekt schöpft aus lediglich einer Quelle, die vermutlich auch ihr größter künstlerischer Einfluss ist: Ella Fitzgerald. „Das Konzept, Ellas Musik aufzunehmen, beruht darauf, dass sie meine erste Begegnung mit Vocal Jazz war. Ich habe so viel von ihrem Gesang gelernt. Der Style ihres, Swing Feels‘ und überhaupt ihre Art zu Singen finden einen starken Widerhall in mir!“ Um ihrem Konzept Leben einzuhauchen, verpflichtete McKelle ein brandneues Trio, das aus von ihr verehrten Jazzmusikern besteht: Kenny Washington am Schlagzeug, Peter Washington am Bass und NEA Jazz Master Kenny Barron am Piano. „Ich habe mich zwar nicht eingeschüchtert gefühlt, Musik mit ihnen zu machen, aber ihre Lebensläufe waren dann doch schon wie, Wow! Werde ich gut genug sein? Werden wir uns musikalisch verstehen?‘

Das wirklich Aufregende dabei war, diese drei Musiker als Trio verbinden und mit diesem singen zu können, das war wirklich eine große Freude.“ Impressions of Ella zeigt McKelle ein bisschen älter – und um vieles weiser. Mehr als fünfzehn Jahre nach ihrem Debüt fühlt sie sich endlich bereit, das emotionale Gewicht der Standards adäquat anzugehen.

„Meine Stimme ist reifer geworden, und ich bin auch als Frau sehr gewachsen. Ich habe das Gefühl, dass ich an einem Punkt in meinem Leben angekommen bin, wo diese Texte mit mir resonieren und ich diese Stories singen kann, weil ich sie erlebt habe. Das war nicht mehr mein Ich als zwanzigjährige Sängerin, die das wirklich noch nicht verstehen konnte, weil sie den Verlust wahrer Liebe zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens noch nicht erlebt hat. Deshalb hatte ich das Gefühl, mit meinem jetzigen Alter und meiner jetzigen Reife zu dieser Musik zurückkehren zu müssen.“

Impressions of Ella enthält eine Auswahl aus dem umfangreichen Katalog Ella Fitzgeralds, darunter Duette mit dem Oscar Peterson Trio. Dennoch ist es weit mehr als ein Tributalbum. McKelle vermeidet klug, Ellas Scat-Stil zu imitieren, sondern setzt stattdessen lieber auf durchdachte Arrangements und eine ausgeprägte Musikalität, die den zeitlosen Standards neues Leben einhaucht. Die Verbindung zwischen einem Vokalisten und seinem Begleiter ist vermutlich eine der profundesten und außergewöhnlichsten in der Musik. Barron, eine lebende Pianolegende, versteht dies besser als die meisten. Seit seinen ersten Erfahrungen als Sideman für Philly Joe Jones und Dizzy Gillespie hat er in einem Zeitraum von mehr als fünf Dekaden über fünfzig Alben als Leader aufgenommen.

Auf „Lush Life“ eröffnet er mit warmer Zurückhaltung, die an Vorgänger wie Duke Ellington oder Red Garland erinnert. Nah an der originalen Fassung der Ballade unterstützt er gemeinsam mit Peter und Kenny Washington McKelle, die den greifbaren Schmerz des Billy Strayhorn-Stücks, der noch Dekaden später fühlbar ist, hörbar auskostet. Im Sinne einer emotionalen Gegenmaßnahme verändert „Embraceable You“ die gesamte Stimmung des Albums, wenn McKelle die Zügel dieser vielaufgenommenen Gershwin-Ballade in die Hand nimmt: Vom Arrangement bis zu den fesselnden Lyrics lässt sich beinahe sofort eine überwältigende Bedeutung fühlen, als würden McKelle und das Trio kollektiv aus ihren eigenen Erfahrungen schöpfen, um das emotionale Gewicht des Songs zum Vorschein zu bringen.

„I Won’t Dance“ hat als Gast-Gitarristen den Grammy-Award-Gewinner Kurt Elling an Bord. McKelle rühmt Elling als Meister und ihren Mentor, der sie seit dem Beginn ihrer Karriere begleitet hat. Als Hommage an die vielgefeierten Duette, die Ella Fitzgerald mit Louis Armstrong aufgenommen hat, bewahren McKelle und Elling das Charisma des launigen Originals, sodass sie klingen wie zwei alte Freunde, die sich nach langer Zeit wiedersehen. Der vermutlich am wenigsten wiedererkennbare Standard ist „April in Paris“, den McKelle in einen verführerischen Bossa Nova verwandelt hat. Er markiert eine neue Richtung auf der Platte, hat Drummer Kenny Washington das Stück bis dahin doch noch nie als Samba gespielt. Nach den Aufnahmen musste er aber schnell zugeben: „Ich mag das!“

Mit Impressions of Ella versucht Robin McKelle weder, das Rad neu zu erfinden, noch ihr kreatives Potenzial zu limitieren. Während das Album Ella Fitzgerald als die First Lady of Song honoriert, kennzeichnet es gleichzeitig das unvermeidliche Erwachsenwerden einer Jazzkarriere, wenn harte Arbeit und jahrelanges Üben endlich reift und Früchte trägt.

Tracks
1 Old Devil Moon
2 My One And Only
3 Lush Life
4 How High The Moon
5 I Won’t Dance – McKelle, Robin / Elling, Kurt
6 Embraceable You
7 Do Nothing Til You Hear From Me
8 Robbin’s Nest
9 Taking A Chance On Love
10 April In Paris
11 Soon

Robin McKelle „Impressions of Ella“
Naive