Lange Zeit lullt der Vater den Erzähler mit seinen Heldentaten in der Résistance ein.

Der Großvater dagegen erzählt ihm, dass der Vater eine deutsche Uniform trug, dass er ein Verräterkind sei. Jahre später offenbart sich in Polizeiberichten und Gerichtsprotokollen das Abenteuer eines Jungen ohne Bildung und Überzeugung, der den Krieg durchlebt, als wäre er ein Spiel, in vier Jahren fünf Uniformen trägt und viermal desertiert. In einem Hinterzimmer der Weltgeschichte tut sich ein Familiengeheimnis auf: Sorj Chalandon erzählt in seinem für den Prix Goncourt nominierten Roman von der Suche nach der Wahrheit über seinen Vater.

»Dein Vater stand auf der falschen Seite.« – ein Satz, der die Familie zerreißt. Seit seiner Kindheit quält den Erzähler eine Frage: Was hat der Vater während der Besatzungszeit gemacht? Doch er traut sich nie, ihn zu fragen, zu unberechenbar, zu gewalttätig ist dieser Vater.

Im Mai 1987, als in Lyon der Prozess gegen den NS-Verbrecher Klaus Barbie eröffnet wird, berichtet der Sohn als Journalist einer großen französischen Tageszeitung. Und erfährt am selben Tag, dass die Gerichtsakte seines Vaters im Archiv schlummert. Und so ist es nicht ein Prozess, der gerade begonnen hat, es sind zwei. Die sprachgewaltige, schmerzhafte Auseinandersetzung Chalandons mit der Wunde seines Lebens und Schreibens, dem Vater als Verräter.

Autor
Sorj Chalandon
, geboren 1952 in Tunis, gilt als einer der bedeutendsten Journalisten und Schriftsteller Frankreichs. Viele Jahre lang schrieb er für die Zeitung ›Libération‹, seit 2009 ist er Journalist bei der Wochenzeitung ›Le Canard enchaîné‹. Für seine Reportagen über Nordirland und den Prozess gegen Klaus Barbie wurde er mit dem Albert-Londres-Preis ausgezeichnet. Auch sein schriftstellerisches Schaffen wurde mit zahlreichen Literaturpreisen gewürdigt, unter anderen dem Prix Médicis und dem großen Romanpreis der Académie française.

Verräterkind
Autor: Sorj Chalandon
304 Seiten, gebunden
dtv
Euro 24,00 (D)
Euro 24,70 (A)
ISBN 978-3-423-29033-3