„Die Welt muss erfahren, was in den Lagern vor sich geht und was die Partei wirklich plant“.

Infolge einer Reihe von Anschlägen in Xinjiang 2014 errichtete die chinesische Regierung in den letzten Jahren dort ein riesiges Netz von Straflagern für ethnische Minderheiten, vorwiegend muslimische Uiguren und Kasachen. Beschönigend nennt Peking diese – trotz erdrückender Beweislage – weiterhin „Berufsbildungslager“, in denen sich alle „Schüler freiwillig“ aufhielten.

Im Jahr 2017 gerät die kasachische Staatsbeamtin und Direktorin mehrerer Vorschulen Sayragul Sauytbay selbst in die Mühlen des chinesischen Unterdrückungsapparates. Nachdem ihr kasachischer Mann mit beiden Kindern das Land verlassen hat, wird sie mehrmals verhört und schließlich in ein Umerziehungslager gesteckt, wo sie ihren Mitgefangenen von morgens bis abends die chinesische Sprache, Kultur und Politik beibringen muss.

Dabei erhält sie Zugang zu geheimsten Informationen, die Pekings langfristige Pläne offenlegen, die Demokratien zu unterhöhlen und zu unterwerfen. Die Bedingungen sind unmenschlich: Gehirnwäsche, Folter und Vergewaltigung, dazu erzwungene Einnahme von Medikamenten, die die Inhaftierten apathisch macht oder vergiftet. Jede Nacht müssen sie stundenlang mit erhobenen Händen an einer Wand stehen und ihre »Sünden« bekennen. Überraschend kommt Sayragul Sauytbay 2018 wieder frei, soll aber kurz darauf als Gefangene ins Lager, deshalb flieht sie nach Kasachstan.

Obwohl Peking mit allen Mitteln versucht, die Entflohene zurückzuholen, und sie bis heute vom chinesischen Geheimdienst bedroht wird, sieht sie es als ihre Aufgabe an, der Welt Zeugnis abzulegen von den chinesischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Und sie will die Welt warnen vor der Politik Pekings, das mit »Softpower« wie beim »Seidenstraßenprojekt« großzügige Kredite vergibt, andere Länder in Abhängigkeit bringt und langfristig die Unterwerfung der freien Welt anstrebt. Modell steht dabei Xinjiang – der größte Überwachungsstaat, den die Welt je gesehen hat, in dem Faschismus und Tyrannei regieren.

Autorinnen
Sayragul Sauytbay
, geboren 1977 in dem autonomen kasachischen Bezirk Ili in der chinesischen Provinz Xinjiang, studierte Medizin, arbeitete zunächst als Ärztin in einem Krankenhaus und wurde später vom chinesischen Staat als Direktorin für mehrere Vorschulen eingestellt. Als die chinesische Regierung massiv gegen uigurische und kasachische Minderheiten vorgeht, reisen ihr Mann und ihre Kinder 2016 nach Kasachstan aus. Sie selbst erhält kein Ausreisevisum, wird mehrmals verhört und gezwungen, ihre Familie zur Rückkehr nach China zu bewegen, doch sie weigert sich. Sayragul Sauytbay wird verhaftet und in einem Umerziehungslager gezwungen, als Ausbilderin zu arbeiten. Dadurch erhält sie Einblick in das Innerste dieses Systems.

Als man ihr nach drei Tagen in Freiheit erneut das Straflager androht, flieht sie nach Kasachstan, wo ihr Prozess zu den größten Protesten in der Geschichte des Landes führt, denn auch in Kasachstan vermissen Tausende Menschen ihre Verwandten in den Straflagern Xinjiangs. Trotzdem wird sie monatelang inhaftiert, ehe Schweden ihr und ihrer Familie Asyl gewährt. 2020 wird sie vom Außenministerium der USA mit dem International Women of Courage Award ausgezeichnet für ihren außergewöhnlichen Mut und ihre Berichte über die Unterdrückung der Minderheiten in der chinesischen Provinz Xinjiang durch die kommunistische Partei Chinas.

Alexandra Cavelius ist freie Autorin und Journalistin. Sie publizierte in renommierten Magazinen und schrieb politische Sachbücher wie Die Zeit der Wölfe sowie in mehrere Sprachen übersetzte Bestseller wie Die Himmelsstürmerin und Leila – ein bosnisches Mädchen. Zu ihren jüngsten erfolgreichen Werken zählen die Geschichte der Jesidin Shirin Ich bleibe eine Tochter des Lichts und Die Psychologie des IS, die sie in Zusammenarbeit mit dem international anerkannten Traumatologen Jan Ilhan Kizilhan verfasst hat. In verschiedenen Werken hat sie sich intensiv mit schwer traumatisierten Überlebenden und radikalisierten Tätern auseinandergesetzt. Zuletzt schrieb sie auf der Basis ihrer vielfachen Recherchen über Krieg, Glauben und Ideologien den Historienroman Die Assassinin.

Die Kronzeugin
Autorinnen: Sayragul Sauytbay, Alexandra Cavelius
352 Seiten, mit zahlreichen Fotos, gebunden
Europa Verlag
Euro 22,00 (D)
Euro 22,70 (A)
ISBN 978-3-95890-330-2