Thimo Niesterok „Stepping Forward“

Mit Stepping Forward veröffentlicht der 26-jährige Trompeter Thimo Niesterok sein drittes Album. Thimo Niesterok ist als einer der wenigen Trompeter in Deutschland bekannt, die sich ganz der Swing-Musik verschrieben haben. Auf Stepping Forward haucht Niesterok einer Reihe von Klassikern aus der Swing-Ära neues Leben ein und fügt dem Repertoire drei Eigenkompositionen hinzu. Zusammen mit drei der gefragtesten Musiker der deutschen Jazz- und Swing-Szene legt er ein Album vor, das nicht nur den Geschmack von Swing-LiebhaberInnen mit Sicherheit treffen wird.

Niesterok, der ursprünglich vom Bodensee stammt und heute in Köln lebt, hat sich bereits in den vergangenen Jahren einen Namen als einer der führenden Vertreter einer neuen Generation swingender MusikerInnen gemacht und tourte durch Deutschland, Europa und darüber hinaus bis nach Indien und Südkorea. Als Gewinner des Kobe Jazz Street Award war er als Solist zum Kobe Jazz Street Festival in Japan eingeladen. Stepping Forward folgt auf sein Debüt First Clambake (2017) und die gemeinsame Veröffentlichung Two Talkin‘ Horns (2019) mit Posaunen-Legende Dan Barrett (USA).

Über das neue Album erklärt Thimo Niesterok: „Nachdem ich durch die Produktion meiner ersten beiden Alben viel gelernt habe, hatte ich – vor allem auch nach der einschneidenden Zeit der Pandemie, durch die sich vieles entwickelt hat – den Wunsch, neue Musik zu veröffentlichen, die abbildet, was ich nun musikalisch zu erzählen habe.“ Mit diesem Gedanken wandte er sich an Thilo Wagner (Piano), Rolf Marx (Gitarre) und Henning Gailing (Bass), allesamt bekannte und geschätzte Musiker in der deutschen und internationalen Swing-Szene. Über die Band sagt Thimo Niesterok: „Ich bin sehr froh, dass alle drei sofort zugesagt haben und mit ganzer Energie dabei gewesen sind. Die Besetzung ist natürlich beeinflusst von den legendären schlagzeuglosen Trios von Oscar Peterson und Nat King Cole, aber die Band hat trotzdem ihren eigenen Sound – und swingt wie die Hölle!“ Die Auswahl des Repertoires spiegelt eine Philosophie wieder, die sich durch das gesamte Album zieht: „Es stehen die Elemente im Mittelpunkt, die die Musik des Great American Songbook ausmachen: wunderbare Melodien und Harmonien, die wir alle gerne zum Klingen bringen und über die wir gerne improvisieren. Am Ende soll all das die ZuhörerInnen schlicht und einfach genau so glücklich machen wie uns beim Einspielen.“

Das Album wird mit dem Titelstück „Stepping Forward“ eröffnet, das mit seinem Unisono-Thema den musikalischen Rahmen für das Album vorgibt: Bereits jetzt besteht beim Zuhören kein Zweifel, dass dieses Album über alle Maßen swingt, denn Niesterok und Pianist Thilo Wagner präsentieren hier eine wahre „Masterclass“ in Sachen Swing-Phrasierung.

Mit „Rose Room“ wird das rasante Tempo etwas gedrosselt: Dieses im Jahr 1917 von Art Hickman geschriebene Stück war einige Zeit in Vergessenheit geraten, bis Duke Ellington es 1932 mit seiner Band aufgenommen hat. Der Song, der nach dem „Rose Room“ im St. Francis Hotel in San Francisco benannt ist, in dem Hickmans Band einige Zeit lang aufgetreten ist, erscheint hier in einem langsameren Tempo als Ellingtons Version. Im Zentrum steht hier Niesteroks Solo mit Plunger Mute, das unter anderem an die musikalische Sprache von Clark Terry oder Harry „Sweets“ Edison erinnert.
Bei „Dickie‘s Dream“ (Lester Young & Count Basie), benannt nach Basies herausragendem Posaunisten Dickie Wells, besticht Thilo Wagner durch ein energiegeladenes Klavier-Solo. Niesterok und Band nehmen sich das ursprüngliche Basie-Arrangement vor und gießen es in eine neue Form, in der das Originalsolo von Trompeter Buck Clayton in den Stop-Chorus integriert ist. „Es ist ein eigenes Arrangement, das einige Elemente der ursprünglichen Basie-Version aufgreift und umdeutet“, erklärt Thimo Niesterok. Diese Aufnahme, mit ihrem Freddie Green-Rhythmus und einem herausragenden Solo des Gitarristen Rolf Marx, lässt garantiert niemanden mehr stillsitzen.

Es folgt der Henry Nemo-Standard „‘Tis Autumn“, der zuerst von Nat King Cole aufgenommen worden ist und abermals Rolf Marx in Hochform präsentiert. Außerdem gibt diese Ballade auch Henning Gailing am Kontrabass Raum, mit einem lyrischen Solo in den Vordergrund zu treten. Als nächstes auf dem Programm steht der Richard Rogers-Klassiker „I Didn‘t Know What Time It Was“. Niesterok: „Es gibt Kompositionen, die man für sich entdeckt, die einen nicht mehr loslassen, in die man sich verliebt und die man dann immer wieder spielen muss. „I Didn‘t Know What Time It Was“ ist für mich im vergangenen Jahr zu so einem “Wegbegleiter” geworden.“ Obwohl sowohl Niesterok als auch Wagner auf dieser Aufnahme jeweils nur einen Chorus lang solieren, bleiben am Ende keine Wünsche offen: Sie scheinen beide in ihren 36 Takten absolut alles zu „sagen“, was es zu „sagen“ gibt.

Die zweite Eigenkomposition der Produktion, „Night Stroll“, ist ein weiteres Highlight: Wie der Titelsong basiert auch „Night Stroll“ auf einem Blues. Im Zentrum steht die spezielle Dämpfer-Kombination (Pixie & Plunger), die Niesterok bei dieser Aufnahme nutzt und die ihm als klangliche Grundlage für die Komposition gedient hat. „Eine absolut fantastische Kombination, die man u.a. von Cootie Williams kennt. Zusammen klingen die beiden Dämpfer fast wie eine menschliche Stimme, man kann sie zum Weinen oder zum Lachen bringen“, so Niesterok. Er verspricht nicht zu viel – diesen Sound sollte man gehört haben!
Fats Wallers „Crazy ´Bout My Baby“ besticht durch ein swingendes und ausgedehntes Solo von Henning Gailing am Kontrabass und ein spitzenklassiges Trading („4er“) zwischen Niesterok und Wagner, bevor das Album mit dem Vincent Youmans-Klassiker „Time On My Hands“ eine neue klangliche Richtung einschlägt: Als Latin gehalten und mit einem überragenden Gitarren-Solo von Rolf Marx erinnert diese Version stilistisch an das großartige Trio von Nat King Cole, bis Niesterok mit seinem Solo-Break das Stück von einem Moment auf den anderen stilsicher in die Swing-Welt zurücksteuert.

Harold Arlens Klassiker „Come Rain Or Come Shine“ ist auf unzähligen Alben zu hören. Zur Wahl dieses Stücks sagt Niesterok: „Trotz der einfachen Melodie sind die Harmonien darunter sehr komplex – eine spannende Mischung, vor allem, sobald man über das Stück improvisiert. Es ist einer der Standards, mit denen man sich etwas intensiver auseinandersetzen muss. Aber wenn man ihn einmal verinnerlicht hat, macht es umso mehr Spaß, über ihn zu spielen!“ Die dritte Eigenkomposition des Albums ist Thimo Niesteroks Ballade „Home“, ein Duo-Feature für Trompete und Klavier. „Es geht darum, nach Hause zu kommen, Zeit mit einem geliebten Menschen zu verbringen, sich auszuruhen, nachdem man auf Tournee und weg von zu Hause war“, erklärt Niesterok, als er über das Stück spricht.

Der letzte Song des Albums ist der vielgespielte Standard „Pennies From Heaven“. „Nach 10 Titeln, bei denen die Trompete im Mittelpunkt steht, ist es Zeit für einen Song, der sich zunächst nur um Gitarre und Klavier dreht“, erklärt Thimo Niesterok. „Rolf Marx zeigt mit seiner Rubato-Version des Verses, wie vielschichtig und orchestral eine Solo-Gitarre klingen kann, bevor Thilo Wagner in bester Peterson-up-tempo-Manier mit dem Thema und dem ersten Solo losfeuert. Dieses Stück swingt einfach unglaublich, es ist eine Spielwiese für Improvisation.“

Wenn man sich das Album Stepping Forward anhört, wird klar, dass Thimo Niesterok den Stil der früheren Jahre des Jazz in- und auswendig kennt. Seine Darbietung auf dem Album zeigt, dass er nicht nur einer der führenden Vertreter der neuen Generation von Swing-MusikerInnen ist, sondern auch die Fähigkeit hat, sich mit großartigen KünstlerInnen zu umgeben und ein Album zu produzieren, das nicht nur von Anfang bis Ende swingt, sondern genau das tut, was Niesterok anstrebt: „schlicht und ergreifend ein Album zu produzieren, das die HörerInnen glücklich macht.“

Tracks
1 Stepping Forward
2 Rose Room
3 Dickie’s Dream
4 ‚Tis Autumn
5 I Didn’t Know What Time It Was
6 Night Stroll
7 I’m Crazy ‚Bout My Baby
8 Time On My Hands
9 Come Rain Or Come Shine
10 Home
11 Pennies From Heaven

Thimo Niesterok „Stepping Forward“
Mons Records