Various „Lockdown Sessions“

Not macht erfinderisch. Das erleben viele von uns gerade aktuell am eigenen Leib. Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen jeden sehr hart, auch Bluesmusiker, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen: Als sämtliche Musikclubs zur Absperrzone erklärt und die großen Festivals abgesagt wurden, ist ihre Haupteinnahmequelle von heute auf morgen versiegt. Daher greifen sie auf außergewöhnlichen Maßnahmen zurück, um über die Runden zu kommen. Dies belegen die unzähligen Wohnzimmerkonzerte, die in den sozialen Medien als Livestream kursieren. So wird der Hut virtuell herumgereicht – das, was rein fließt, hilft dem jeweiligen Musiker, die mageren Zeiten zu überstehen.

Zwar ist Lockdown Sessions aus ähnlichen Gründen entstanden, doch diese international besetzte Produktion lässt auch unabhängig von irgendwelchen Hintergedanken aufhorchen. Hier gehen nämlich mehr als 30 hochkarätige Bluesmusiker aus aller Welt mit vereinter Kraft gegen den Lagerkoller vor und überwinden durch ihre gemeinsame Bluesleidenschaft die gesetzlich vorgeschriebene räumliche Trennung.

Als treibende Kraft hinter der Doppel-CD agierte Roger C. Wade, der seit vielen Jahren den Ruf als einer der besten Mundharmonikaspieler Europas genießt. Zunächst tauschte der in Deutschland ansässige Brite mit befreundeten Musikern in der deutschen Szene ein paar Songideen aus, ohne zu ahnen, wo seine Bemühungen hinführen würden. Schnell konnte er die Crème de la Crème der hiesigen Szene für das Projekt gewinnen. Dazu gehören der Sänger und Gitarrist Kai Strauss, der Saxophonist Tommy Schneller, der Multiinstrumentalist Michael van Merwyk, der Bluesveteran Abi Wallenstein und nicht zuletzt auch Andreas und Maddy Arlt von B.B. & The Blues Shacks.

Da das musikalische Aufeinandertreffen nicht im Studio, sondern ausschließlich über digitale Kommunikationswege stattfand, wurden der Beteiligung an der Lockdown Sessions keine Grenzen gesetzt. So kamen mit der Zeit weitere Musiker aus Italien, Spanien, Belgien, Finnland, Frankreich und Großbritannien dazu. Viele davon haben nie zuvor zusammengespielt oder sich kennengelernt. Schließlich wurden einige amerikanische Gäste zur Party eingeladen und haben einen wichtigen Beitrag geleistet, darunter Larry Garner, Nathan James, Aki Kumar, Fred Kaplan und Big Daddy Wilson.

Wer glaubt, ein richtiges Bluesfeeling kann unmöglich zustande kommen, ohne dass man sich gegenüber steht, wird beim Hören der Platte eines Besseren belehrt. Die 26 Titel der Sammlung strotzen vor Spielfreude und lassen die vielfältigen Talente der Lockdown-Musiker zum Vorschein kommen. Die stilistische Bandbreite ist groß und reicht von raffinierten City-Blues über Boogie-Woogie, Swing, R&B und Country-Blues. Der gemeinsame Nenner ist das, was jeder guten Bluesaufnahmen zugrunde liegt: Die versammelten Musiker spielen und singen authentisch, dynamisch, echt.

Lockdown Sessions erscheint für einen guten Zweck. Die Einnahmen vom Projekt sollen den beteiligten Musikern über Corona-bedingte Engpässen helfen. Doch vielmehr erfüllt die Produktion für uns alle eine lebenswichtige Funktion: Sie liefert ein wirksames Mittel, eine starke Dosis waschechten Blues, und somit auch einen Schimmer Hoffnung in dunklen Zeiten. Schließlich hat uns der Blues schon immer geholfen, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Tracks
CD 1

1. Tommy Schneller – Lockdown Blues
2. Aki Kumar – Can’t Get Too Close
3. Maddy Arlt – Personal Shutdown
4. Abi Wallenstein; Roger C. Wade – Death Letter Blues
5. Fred Kaplan – Mean Old Quarantine
6. Michael van Merwyk – Low-Down Lockdown
7. Roger C. Wade; Andreas Arlt – Get Me Outta Here
8. Timo Gross; Krissy Matthews – Blow A Poor Man Down
9. Christian Bleiming; Andreas Bock – Boogie Galore
10. Little Victor Mac – The Death Of Louisiana Red
11. Andreas Arlt – Home Alone Stomp
12. Kai Strauss – World Crisis Blues
13. Ferdinand Kraemer – Be Ready When He Comes

CD 2
1. Larry Garner – Why You Lie
2. Nico Duportal – Hey Sweet Marie
3. Abi Wallenstein; Victor Puertas – Destination Mississippi
4. Wilson Blount – Come See About Me
5. Andreas Arlt; Roger C. Wade – I Know
6. Tommy Schneller – Sax Supreme
7. Michael van Merwyk – Fuck You, Mr. Virus
8. Veronica Sbergia – I Can Tell The World
9. Christian Bleiming – Lockdown Shuffle
10. Aki Kumar – Everything Has Changed
11. N. James; Victor Puertas – Come What May
12. Jens Turowski – Give Me My Heart Back

Various „Lockdown Sessions“
Crosscut Records